Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neobooks - Transalp 7

Neobooks - Transalp 7

Titel: Neobooks - Transalp 7
Autoren: Marc Ritter , CUS
Vom Netzwerk:
Pfunders herum. Schalcher, Kammerschien, Krautgartenalm. Auf halber Höhe führte eine Vielzahl von uralten Wegen der Bergbauern, Viehhirten, Holzarbeiter dahin. Gasser, Gruber, Terenten. Hinauf, hinab. Er hatte alles Zeitgefühl verloren. Es war ihm fast egal, ob er jemals ankäme. Er war unterwegs, das zählte. Gehen bedeutete leben.
In der Kiste wirst du genug Zeit haben zum Ausruhen. Noch aber liegst du nicht in der Kiste. Noch machst du Schritt für Schritt und noch einen Schritt und noch einen und noch einen. Weiter, weiter, immer weiter. Noch lebst du.
    Als sein Hirn leer war, völlig freigepustet von jedem Gedanken, stand die Lösung klar vor ihm, von einer Sekunde zur anderen: Um das Rätsel der Nibelungen zu lösen, hatte er immer komplizierter und komplizierter und noch komplizierter gedacht. Das war eine Sackgasse, er hatte sich verrannt. Er musste nicht komplizierter denken, sondern einfacher. Wenn das Rätsel im Buch nicht auf Bildschirmen zu lösen war und nicht auf Ausdrucken, was heißt das? Bildschirme und Papier sind flach. War das Rätsel am Ende gar nicht in zwei Dimensionen lösbar? Ein dreidimensionales Rätsel! Das veränderte die Lage. Er wollte das Buch am liebsten gleich aus dem Rucksack ziehen, doch es wurde bald dunkel, und er war noch nicht an seinem heutigen Ziel. Irgendwann werde ich ein paar Stunden für die Lösung haben, machte er sich Hoffnung. Wie schwierig es noch werden würde, das konnte er da noch nicht wissen.
    Frankfurt am Main, 22.01 Uhr
    »K hier.«
    »Hagen hier.«
    »Ich höre, Hagen.«
    »Sie fahren nach Italien, K. In der Nähe von Gröden in Südtirol liegt die Pisciadu-Hütte. Dort muss ein gewisser Benno Spindler morgen oder übermorgen durchkommen. Es gibt keinen anderen Weg für ihn. Foto und alles, was Sie an Informationen brauchen, schicke ich per Mail. Lassen Sie keinen einzigen Besucher und keinen Menschen, der auch nur in die Nähe der Hütte kommt, aus den Augen. Nichts und niemand darf Ihnen entgehen. Diesen Spindler müssen Sie erledigen, koste es, was es wolle. Aber ich brauche ihn lebend. Setzen Sie ihn fest. Verstecken Sie ihn. Dort, wo ihn keiner findet. Aber lassen Sie ihn nicht verrecken, verstanden? Und dann ist da noch was: Er hat ein Buch bei sich, ein Buch, das ich unbedingt brauche. Der Mann ohne Buch hilft mir nichts, und das Buch ohne den Mann hilft mir nichts. Das Buch bringen Sie mir sofort nach Klagenfurt. Nur mir persönlich. Und zu niemandem ein Wort. Haben Sie verstanden?
    »Verstanden.«
    Der Mann namens Hagen legte auf. Endlich war seine Stunde gekommen. Worauf er jahrelang hingearbeitet hatte, wofür er jahrelang gelitten hatte, worauf er sich jahrelang vorbereitet hatte, jetzt war es so weit. Er würde die Erbschrift in Händen halten. Er würde sie entschlüsseln.
    Kniepass, 857 Meter, 23.50 Uhr
    Für heute Nacht war Spindler angekommen. Kurz vor der alten Kapelle St. Margareth oberhalb der Staustufe des E-Werks machte er halt. Um diese Zeit glaubte er sich hier alleine. Trotzdem hieß es vorsichtig sein. Die Durchgangsstraße durch das Pustertal war nah und mit ihr alle möglichen Gefahren. Wie gerne hätte er sich unter das schützende Dach der Kapelle gelegt. Ein paar schwere Tropfen waren bereits gefallen, einzelne nur, doch keine guten Vorboten für die Nacht. Immerhin konnte er seinen Goretex-Anorak wieder selber nutzen – er hatte sich schon ausgemalt, wie er das Buch bei Regen darin sicher einwickeln würde, seit die Mülltüte samt seinem Rucksack zu Tal gefahren war. Ein Papierkorb unterwegs bei Oberkammerschien konnte ihm jedoch mit einem jungfräulichen Müllsack aushelfen. Das Problem war also gelöst, doch die Aussicht auf eine Regennacht stimmte ihn nicht heiter. Ein Stück weiter oben fand er einen alten Heustadl am Waldrand, der schon bessere Tage gesehen hatte. Seit Jahren hatte niemand mehr das Dach geflickt. Für einige Stunden wohnte er hier zusammen mit ein paar Mäusen. Von der Straße dröhnten die Spätheimkehrer herauf. In der Ferne rumpelte ein Gewitter.
    Es wurde höchste Zeit, dass er wieder die Spitze der Karawane übernahm und die anderen nicht bereits gut erholt da warteten, wo er ermattet hinkam.
    SAMSTAG, 14. JULI 2012
Kniepass, 1.40 Uhr
    Ein Donnerschlag weckte Spindler auf. Seine baufällige Behausung mit dem löchrigen Dach war kaum dazu geeignet, ein Gewitter gemütlich auszusitzen. Wieder zuckte ein Blitz und tauchte das Tal in taghelles Licht. Konnte ihn jemand sehen? Obwohl – vielleicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher