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Neobooks - Transalp 6

Neobooks - Transalp 6

Titel: Neobooks - Transalp 6
Autoren: Marc Ritter , CUS
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Drüben, schon in Südtirol, füllten dichte Wolken die Täler. Die Gipfel ragten heraus wie Eisberge aus dem Polarmeer. Er trat in die Hütte, der Gastraum war offen. In der Küche hörte er die Wirtin mit Wasserkesseln hantieren. Er bückte sich zum Ausgabefenster für Speisen und Getränke.
    »Tätens mir rasch etwas zum Frühstück machen? Zwei Liter Tee, eine Kanne Kaffee, vier oder sechs Spiegeleier, Speck, Kirchtagskäse, Brot? Und gibts die famosen Zillertaler Graukasnockerl noch?«
    »Die gibts schon, aber nicht jetzt in der Früh. Das andere schon«, schallte es aus der Küche zurück.
    »Ich habs echt furchtbar eilig. Und wissen Sie den schnellsten Weg zum Furtschaglhaus? Ein Lunchpaket bräuchte ich auch noch.«
    »Jessasmaria, Ansprüche wie ein Haus!«, schimpfte die junge Hüttenwirtin.
    »Und einen Zettel und einen Stift brauche ich auch schnell.«
    Spindler ließ sich einen Brauereiblock aushändigen und kritzelte etwas darauf. Diesen Zettel hängte er an der Rezeption an die Pinnwand, die die Lobpreisungen der Presse über die Hütte zeigte. Dann beschrieb er einen zweiten Zettel, legte den schmalen Block wieder auf die Küchendurchreiche und verschwand nach draußen. Er drehte sich immer wieder nach hinten um, ob da auch niemand kam. Plank. Oder die anderen. Zwei Minuten später kehrte er in die Hütte zurück und verschlang sein opulentes Frühstück. Dann nichts wie raus.
    Olpererhütte, 6.18 Uhr
    Clara Fürst hatte Spindler in die Hütte gehen sehen. Hätte sie noch ihre Pistole gehabt, hätte sie ihn vielleicht noch vor der Hütte erledigen können. Hatte er jetzt die Pistole? Es waren zu viele Menschen in der Hütte. Sie durfte den Zugriff nicht noch einmal vermasseln. Verstärkung war unterwegs. Sie beschloss, in sicherer Beobachtungsposition zu verharren. Er durfte nicht entkommen. Das war leicht gesagt, aber schwer getan: Vier Wege führten von der Hütte in vier verschiedene Himmelsrichtungen: Der Abstieg nach Osten hinunter zum Schlegeisgrund. Der Übergang nach Norden über die Friesenbergscharte zum Spannagelhaus. Der Übergang nach Süden zum Pfitscher Joch. Und der Aufstieg nach Westen Richtung Olperer-Gipfel, da, wo sie hergekommen waren.
    Die Hütte stand auf einer Kante des Hangs. Von oberhalb der Hütte konnte man kaum den Abstieg sehen. Von unterhalb der Hütte kaum den Aufstieg. Nur die Hüttentür im Auge zu behalten war zu wenig. Es gab mehrere Ausgänge und überall Fenster. Sie hielt es für unwahrscheinlich, dass Spindler wieder Richtung Olperer zurückging. Sie machte einen großen Bogen um die Hütte, um sich unterhalb auf die Lauer zu legen. Von hier ließen sich drei der vier Wege einigermaßen beobachten. Als sie gerade wieder in Deckung lag, sah sie Spindler, wie er aus der Hütte kam und etwas an einem Bäumchen befestigte. Seltsam, dachte sie, ein Baum auf dieser Höhe? Wir sind hier doch gut 300 Meter über der Baumgrenze. Na ja, etwas schwindsüchtig sah das Bäumchen schon aus. Doch was machte Spindler da? Er hängte etwas an den Baum, etwas, das wie eine Papierrolle aussah. Ein buddhistisches Gebetsritual wird das doch nicht sein, dachte sie sich. Sie griff zu ihrem Funkgerät: »Zielperson befestigt Papier an einem Baum vor der Olpererhütte. Könnte das die Methode sein, wie er mit den Bullen Kontakt hält? Wo bleibt die Verstärkung? Ich erwarte jeden Moment ihr Eintreffen.«
    Olpererhütte, 7.10 Uhr
    Die beiden Mitbewohner des Viererzimmers hatten den Wecker ihres Handys auf fünf Uhr gestellt und versuchten so wenig Lärm wie möglich zu machen, doch Plank wachte auf. Nachdem die beiden das Zimmer in Richtung Frühstück verlassen hatten, konnte Plank nicht mehr schlafen. Er wälzte sich eine Stunde von links nach rechts. Dann dämmerte er wieder ein. Aber ein richtiger Schlaf wurde das nicht mehr. Das erste Tageslicht erhellte den Raum. Er stand auf, schlich sich aus dem Zimmer und ging in die Stube zum Frühstück. Vereinzelt saßen Bergsteiger und Wanderer herum. Ihre beiden Zimmergenossen waren längst weg. Plank schmierte sich ein Marmeladenbrot und schlürfte eine Tasse Kaffee. Eine innere Unruhe ließ ihn nicht still auf seinem Platz sitzen und durch die großen Panoramascheiben der Hütte das Farbenspiel beobachten, das die Sonne an den jungen Morgenhimmel malte. Er ging hinaus in den Gang, um sich irgendetwas zum Lesen zu holen. Eine Alpenvereinsbroschüre oder einen Sportartikelkatalog, danach war ihm, er wollte kein Buch und keine Zeitung,
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