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Neobooks - Transalp 11

Neobooks - Transalp 11

Titel: Neobooks - Transalp 11
Autoren: Marc Ritter , CUS
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nur eine einzige exakt nach Süden. Es war zugleich die berühmteste neben der Markuskirche: Santa Maria della Salute. Malerisch perfekt plaziert, ein klassisches Motiv von Canaletto bis zur Ansichtskarte.
Du Trottel, du stehst ja gleich neben dieser Kirche!
    Santa Maria della Salute ... Spindler ließ diesen Namen auf seiner Zunge zergehen. Doch wie in aller Welt kam Christina Gerdens ausgerechnet auf diese Kirche? Della Salute … Heilige Maria des Heils. Eine Frau. Eine Mutter. Das Heil. Als Ausgangspunkt des Weges zu Hitlers Vermächtnis. Eine reine, unbefleckte Mutter. War es das, was die Sekretärin aus Berlin sagen wollte? Oder war sie nur das Sprachrohr, war das am Ende die Botschaft von Hitler persönlich? Immerhin war Maria eine Jüdin. Hatte Hitler sich im letzten Moment gewandelt? Dass er die katholische Kirche bewunderte, war bekannt – ihre Zeremonien kupferte er gerne ab für seine eigenen Auftritte. Und insgeheim bewunderte er die Juden für ihre rassische Reinheit, die er so gerne den Ariern gegönnt hätte. Am Ende des Krieges hatte sich das jüdische Amerika, wie er es sah, als stärker erwiesen als Hitlers Arier. Hatte er im letzten Moment tatsächlich seine ganze Ideologie in den Orkus verklappt?
    Ein Dutzend Gedanken schossen Spindler gleichzeitig durch den Kopf. Natürlich! Beim Tod in Venedig war er gestartet. Der Tod – Hitlers Reich war mit einem Riesenfurz untergegangen, das wusste Hitler selbst am besten. Die arischen Herrenmenschen hatten auch in Hitlers Augen jämmerlich versagt. Und wohin führte der Weg der Christina Gerdens, wohin führte das Vermächtnis, was stand drin? Na klar!
Alle Achtung, Christina Gerdens, du hast den einzig logischen Platz gewählt!
Hier musste es sein.
    Nach langen Jahren der Suche hatte Benno Spindler das Ziel seines Lebens erreicht. Er war angekommen. Nur dass er es nicht alleine zu Ende bringen konnte. Er würde Hilfe brauchen. Er musste zum Markusplatz. Jetzt.
    Markusplatz, 21.46 Uhr
    Es war Mitte Juli und es wurde nun merklich früher dunkel als im Juni. Der Markusplatz lag von den Touristenscharen verlassen. Alle Tagesgäste waren fort, und die, die über Nacht blieben, verloren sich fast auf dem riesigen Platz. Selbst die Tauben schienen schläfrig. In den drei Cafés am Platz saßen noch viele Leute, zwei Kaffeehaus-Orchester spielten auf der Piazzetta gegeneinander an. Benno Spindler sah den Markusplatz aus einer Perspektive, wie ihn sonst nie jemand sah. Besser gesagt: fast niemand. Er sah ihn vom Dach des Dogenpalastes. Er musste an Giacomo Casanova denken, der ihn dazu inspiriert hatte: Casanova, fünf Jahre lang Häftling der Serenissima alias Republik Venedig, war nachts aus den berüchtigten Bleikammern des Dogenpalastes entflohen – übers Dach. Nachzulesen in Casanovas Memoiren. Nun war es ein perfekter Platz für ihn – hier war er sicher. Die anderen, so gut sie im Umlegen von Menschen sein mochten, die Sicherungen des Dogenpalastes gegen unbefugte Eindringlinge würden sie nicht so rasch und unbemerkt überwinden. Das Dach bot eine perfekte Sicht auf alles, was sich auf dem Platz abspielte. Santa Maria della Salute war grandios angestrahlt.
    Da kamen sie! Um genau 21.49 Uhr gingen sie die Piazzetta entlang auf den Markusplatz zu. Pünktlich seid ihr, 10 vor 10 hatten wir ausgemacht. Und wer lungerte dort unten sonst noch herum? Zwei Männer, die sich unterhielten, ein Kerl am Handy, Gestalten am Café-Tisch – aus dieser Entfernung gesehen, konnte jeder ein Nazi sein. Bisher war er ihnen noch immer entkommen. Hier in Venedig war ihre letzte Chance. Sie würden alle verfügbaren Reserven in die letzte Schlacht werfen. Wie würde Hagen reagieren? Spindler hatte gehofft, durch seinen Brief einen Keil in die Bewegung zu treiben. Ob das funktioniert hatte? Sicher sein konnte er sich nicht. Andererseits: Wie sonst sollte er es schaffen? Nur so konnte es gehen. Faites vos jeux – es war ein riskantes Spiel. Nichts anderes hatte er erwartet.
    Venedig, Markusplatz, 21.50 Uhr
    Plötzlich landete etwas direkt vor Anselm Planks Füßen. Es war in Wachspapier eingewickelt. Woher konnte das stammen? Er wollte es schon mit dem Fuß wegkicken, dann fiel ihm ein, dass es nun zehn vor zehn war und dass jeder Hinweis entscheidend sein konnte. Er blickte Stephanie Gärtner an, die blickte ihn an. Plank hob den Gegenstand auf und packte ihn aus. Ein Höhenmesser, ein Thommen-Höhenmesser! Wer schmeißt denn mit so was, noch dazu am Markusplatz?
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