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Neobooks - Transalp 11

Neobooks - Transalp 11

Titel: Neobooks - Transalp 11
Autoren: Marc Ritter , CUS
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all ihren Daseinsformen versammelt. An den 70 runden Tischchen saßen abgerissene Rucksackreisende aus Toronto neben dem venezianischen Großvater im beigen Sommeranzug mit perfekt gebundener Krawatte. Dazwischen flitzten die Ober mit den kurzen weißen Barjacken. Ein Stehgeiger überzog die Szene mit seinem pappig-süßen Soundtrack.
    Die vier Männer sprachen Deutsch, was im babylonischen Sprachgewirr auf der Terrasse des Caffè Florian auch niemanden störte. Hätte jemand genau hingehört, hätte dieser Jemand gemerkt, dass jeder der vier mit einem anderen Akzent deutsch sprach. Auch das hätte wohl niemanden gewundert. Gewaltig gewundert hätte sich aber jeder, der gewusst hätte, welche Waffen diese Männer unter den Jacken ihrer Maßanzüge trugen und welche weiteren Ausrüstungsgegenstände sie in den Lederkoffern in ihren Hotelzimmern verstaut hatten. Jeder der vier war eine perfekte Tötungsmaschine und zudem Spezialist für eine ganz besondere Art des Tötens. Der Mann mit dem amerikanischen Akzent verstand sich auf das Anfertigen von Bomben. Der Mann mit dem spanischen Akzent kannte sich mit Giften sehr gut aus. Der Mann mit dem skandinavischen Akzent wusste, wie man auf dreitausend Meter Entfernung eine Kugel so plaziert, dass man nicht ein zweites Mal abzudrücken brauchte. Schließlich war der Mann mit dem holländisch klingenden Akzent, der in Wirklichkeit ein leichter Einschlag des Afrikaans war, das man in seiner Heimat am Kap sprach, sicher, jedem Menschen jedes Geheimnis entlocken zu können. Die entsprechenden Werkzeuge aus Chirurgenstahl bewahrte er in der hellbraunen Herrenhandtasche auf, die er vor sich auf den Marmortisch gelegt hatte.
    Obwohl die vier Männer allen Grund zur Beunruhigung hatten, wirkten sie locker. Ihre Zielpersonen waren nicht da gewesen, wo sie sie vermutet hatten. Der Transponder hatte sein Signal aus dem Kofferraum eines im Parkhaus abgestellten Fahrzeugs geschickt. Sie mussten sich nun darauf verlassen, dass sie zur richtigen Zeit einen Hinweis von ihrem Auftraggeber bekommen würden. Hagen wollte einen Mann schicken, der sie um 17 Uhr hier im Caffè Florian treffen sollte. Bis dahin würden sie hier mitten unter Touristen und einigen Einheimischen die Zeit totschlagen müssen. Das war von Vorteil, denn so würden sie sich wenigstens ein paar Stunden lang kennenlernen können. Dabei würde eine ordentliche Rechnung für die Organisation zusammenkommen. Aber das war nichts im Vergleich zu dem, um was es in dieser Aktion ging. Und das wussten sie. Mehr wussten sie nicht. Der Mann, der kommen würde, würde ihnen die Dimension ihres Auftrages eindringlich klarmachen.
    Venedig, Calle dei Fabbri, 15.10 Uhr
    Spindler war in einer Sackgasse angelangt. Die Calle dei Fabbri hatte keine Abzweigung an der Stelle, an der eine hätte sein sollen. Das Buch verzeichnete eine, doch ohne Zweifel war da keine. Hatte er sich verzettelt, verhauen, war alles umsonst, und die richtige Lösung lag ganz woanders? Ein älterer Signore, der trotz der Hitze eine leichte Jacke trug, sah Spindler von einer Bank aus verwundert zu. Wie er ein Buch und einen Stadtplan gleichzeitig wälzte. Gar nicht so einfach, wenn man keinen Tisch hat. Der Signore stand auf, ging auf Spindler zu und fragte ihn, wohin er wolle. Nein, zum Forno Vecchio wäre hier tatsächlich kein Durchkommen. Er wollte schon in dem alten Buch nachsehen, Spindler schlug es zu. Vor vielen Jahren, als das Kloster schloss, da habe man den Durchgang vermauert. Das war vielleicht fünfzig Jahre her. Als Schulbub jedenfalls habe er dort noch durchgehen können. Spindler bedankte sich und ging einen Umweg, um an die Stelle zu kommen, die Christina Gerdens gemeint haben musste.
    Markusplatz, 16.00 Uhr
    Hagen war nicht nur pünktlich, er war überpünktlich. Er fand sich bereits eine Stunde vor dem vereinbarten Zeitpunkt auf dem berühmten Platz mit der herrlichen Basilika und dem Dogenpalast ein. Er beobachtete nun durch das Teleobjektiv seiner Kamera die Freischankfläche des Caffè Florian. Er wollte die Kämpfer aus den vier Sektionen erst einmal aus der Ferne mustern. Der fünfte Mann aus Pazifika war immer noch nicht angekommen, er hing noch auf der arabischen Halbinsel fest.
    In seiner Verkleidung als deutscher Rentner, mit weißen Tennissocken in grauen Sandalen, mit dem Schlapphut auf dem Kopf und der Spiegelreflexkamera um den Hals, fiel er hier auf dem Markusplatz nicht auf. Jetzt bereute er, gerade diese Maskerade benutzt zu haben.
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