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Neobooks - Transalp 11

Neobooks - Transalp 11

Titel: Neobooks - Transalp 11
Autoren: Marc Ritter , CUS
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wirklich darin stand, was er tief in seinem Inneren befürchtete. Dann hätte seine Mutter bei der Zersetzung des deutschen Volkes mitgeholfen. Dieser Brief, den Spindler geschrieben hatte, deutete in die Richtung seiner Befürchtungen. Oder hatte Spindler einfach geblufft? Wie konnte der denn wissen, was im Vermächtnis stehen würde, bevor er es selbst gesehen hatte?
    Nein, es gab nur einen Weg. Er musste selbst nach Venedig. Er musste dabei sein, wenn die Erbschrift aus ihrem Versteck geholt würde. Er müsste sich zu erkennen geben und das Vermächtnis an sich nehmen. Dass dieses bayerische Polizistenpaar von einer Hartnäckigkeit war, die er seinen Leuten gewünscht hätte, machte ihm auch zu schaffen. Doch ohne die beiden hätte er schon längst Spindlers Fährte verloren. Klar war, dass Spindler alles daran setzen würde, dass dieser Polizist das Vermächtnis als Erster in den Händen halten würde. Deswegen hatte er ihn ja auf sich selbst angesetzt. Nun, dann mussten diese Polizisten eben auch weg, nachdem sie ihre Schuldigkeit getan hatten.
    Venedig, Sestiere Cannaregio, 12.50 Uhr
    Spindler blickte sich um, allerlei Steintafeln an den Wänden. Teils waren sie in altem Venezianisch gehalten, teils in Italienisch, eine auf Englisch, ein Epitaph in Latein. Ein Klingelschild mit Löwenkopf. Darunter der Name Olga Balan. Hausnummer 2040. Klingt ja nicht sonderlich italienisch, dachte er. Das Europear Research Center war trotz des fehlerhaften Englisch schon besser. Research für was? Eine Tafel zog ihn an. Beim Lesen wurden seine Augen immer größer: »Morto Fra Queste Mura ...« Das gab es doch nicht! Der? Wirklich der? Der Deutscheste der Deutschen ..., nein! Aber sicher, da stand es ja ganz klar. Es war ein Tod in Venedig. In Christina Gerdens Augen musste es  d e r  Tod in Venedig gewesen sein.
    Wie wenige Stunden hatte Spindler in den letzten Tagen insgesamt geschlafen? Er hörte nichts mehr auf einem Ohr. Zwei gebrochene Rippen malträtierten ihn. Trotzdem war er in Hochstimmung. Schritt für Schritt kam er dem Rätsel der Nibelungen auf die Spur. Erst inspizierte er den öffentlich zugänglichen Palazzo. Dann begann er seine erste Peilung. Die Winkel, die ins Buch gekritzelt waren, stellten Richtungsangaben dar. Sie waren ganz primitiv hineingekritzelt. Zum Beispiel so:

    Auf der linken Seite geht es los, nahm Spindler an, dann musst du rechts abbiegen, dann halblinks und wieder rechts. Der Trick war, dass man die Peilung nicht Seite für Seite vornehmen durfte, nicht in der Reihenfolge, in der sie im Buch stand. Die erste Richtungsangabe stand also nicht auf der ersten Seite, die zweite auf der zweiten und so weiter.
Nein, so einfach hat sie es dir nicht gemacht. Sie hat es viel verzinkter dargestellt und doch so einfach. Du musst das Buch nur als räumlichen Gegenstand begreifen, nicht als eine Ansammlung von flachen Blättern.
Wenn alle Seiten aus Glas wären, sähe man die Winkel und Ecken alle auf einmal und man hätte einen sehr einfachen, aber wirksamen Wegweiser durch Venedig vor sich – in 3D. Nun machte es Sinn, dass einige Zeichnungen oben auf dem Blatt Papier waren, andere unten, links, rechts oder mitten auf der Seite. Er nahm ein leeres Blatt Papier und skizzierte alle Angaben auf diese eine Seite. Als er fertig war, sah das so aus:

    Spindler hatte nun den einfachsten und mit Abstand wertvollsten Stadtplan von Venedig. Er fühlte sich dabei an die Aufklappbilder vom Körperbau des Menschen erinnert, wo zuerst ein nackter Mensch zu sehen ist und man dann Folie für Folie tiefer in die Eingeweide vordringt – erst kommen die Muskeln und Sehnen, dann der Blutkreislauf, die Organe, schließlich das Skelett. Wenn  man einen fertigen Plan hatte, wie Christina Gerdens, war es nicht schwer, die einzelnen Teile auf beliebige Seiten im Buch zu verteilen. Nur das Wiederzusammensetzen der Teile war die Kunst.
Du musst losgehen!
Sein Weg zum Vermächtnis hatte begonnen.
    Venedig, Markusplatz, 12.15 Uhr
    Die vier Geschäftsleute speisten auf der Terrasse des berühmtesten Cafés der Welt und scherten sich nicht um die Mondpreise, die sie für die Sandwiches und den Kaffee bezahlten. Sie kümmerten sich auch nicht darum, ob sie jemand sah. Es kannte sie hier niemand. Niemand kannte sie irgendwo auf der Welt. In keiner Fahndungsdatei waren ihre Gesichter, ihre Fingerabdrücke oder ihre DNA verzeichnet. Es beachtete sie hier auch niemand, denn auf diesem Platz waren die ganze Welt und ihre Bewohner in
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