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Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs

Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs

Titel: Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs
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sogar.«
    Ellen wandte sich wieder dem Flachbildschirm zu und fuhr die Liste der Namen aus dem Archiv mit dem kleinen, nervös blinkenden Pfeil der Maus herauf und wieder herab, klickte die Namen ihrer und meiner Eltern an und fand auch jene von Judiths Eltern, die sie ebenfalls anklickte, um die dazugehörigen Einträge kurz mit verschleiertem Blick und ausdruckslosem Gesicht zu überfliegen.
    »Unsere sämtlichen Eltern und Großeltern sind in der Forschungssammlung I ausgestellt«, flüsterte sie schließlich bitter. »Zumindest ihre Gehirne. Sie alle hatten Tumore im Stirnlappen.«
    »Ich wusste schon immer, dass ihr alle nicht ganz dicht seid.«
    Ellen, Judith und ich fuhren geradezu synchron zueinander erschrocken auf und wandten uns in die Richtung, aus der die höhnischen Worte erklungen waren. Im Türrahmen zwischen Aktenlager und Forschungssammlung war Carl erschienen, der die Pistole entsichert im Anschlag hielt. In seinen Augen lag ein irres Funkeln. Judith und ich tauschten einen angespannten, nervösen Blick.
    Niemand von uns hatte gehört, wie der Wirt sich uns genähert hatte; er musste auf Zehenspitzen durch die Halle geschlichen sein.
    »Ihr habt das Gold genommen und davon dieses Frankensteinlabor hier unter der Burg eingerichtet.« Der übergewichtige Althippie trat einen drohenden Schritt auf uns zu und fuchtelte zornig mit der Waffe in unsere Richtung.
    »Mein Gold habt ihr euch genommen!«
    »Du irrst dich.« Judith bemühte sich um einen beschwichtigenden Tonfall und trat dem Wirt einen mutigen Schritt entgegen, obgleich ihr die Angst nur zu deutlich ins Gesicht geschrieben stand. Ich streckte erschrocken die Hand nach ihrem Unterarm aus, um sie zurückzuhalten.
    Carl mochte Recht haben, wenn er sagte, dass wir alle, jeder auf seine ganz spezifische Weise, in diesen Stunden und an diesem schrecklichen Ort nicht mehr ganz dicht waren – aber er hatte ganz eindeutig auch selbst das letzte Fitzelchen von Verstand eingebüßt, was sich nicht nur unschwer aus seinen Worten, sondern auch und viel eindeutiger noch aus dem irrsinnigen, hasserfüllten Funkeln schließen ließ, das seine wässrigen, von zu viel Alkohol in zu vielen Jahren leicht gelblichen Augen erfüllte. Er war wahnsinnig und er hielt eine schussbereite Achtunddreißiger in der Hand.
    In diesen Sekunden war er vielleicht gefährlicher für uns als die Irren, die dieses grauenhafte Labor hier unter der Erde betrieben. Ich wollte nicht, dass Judith sich in Gefahr brachte, aber als meine Finger sich erschrocken um ihr Handgelenk klammerten, schüttelte sie sie entschieden ab und trat einen weiteren Schritt auf den Wirt zu. »Es hat hier niemals Gold gegeben. Hier in der Burg ist immer nur geforscht worden«, redete sie in bemüht ruhigem Tonfall auf ihr vor Hass und Wut tobendes Gegenüber ein.
    »Und die ganzen teuren Geräte?«, fuhr Carl sie mit einem wütenden Schnauben an und schüttelte verächtlich den Kopf. »Ich lasse mich von euch nicht weiter verscheißern!«, brüllte er, und das Zornrot, das seine Wangen, seine Stirn und seinen Nasenrücken überzogen hatte, wurde noch dunkler und kräftiger, sodass es an Violett grenzte. Eine der Adern auf seiner Nasenwurzel trat deutlich sichtbar hervor, kleine Schweißperlen sammelten sich auf seinen Schläfen und neben seinen Nasenflügeln.
    Für einen Augenblick schien es, als würde sein Herz sämtliches Blut, das er im Körper hatte, in seinen Kopf pumpen, sodass er zu zerplatzen drohte. Noch nie zuvor hatte ich einen erwachsenen Menschen in derart unbeherrschter Rage gesehen; Carl sah aus wie ein Neugeborenes, das seit Stunden vor Hunger und Angst nach seiner Mutter gebrüllt hatte. »Ich weiß doch, was ich sehe!
    Das alles muss Millionen und noch mehr Millionen gekostet haben! Und es wurde bezahlt von meinem Schatz, der meiner Familie zugestanden hätte!«, schrie der Wirt und seine Finger krampften sich so fest um Griff und Abzug der Luger, dass ich die Luft anhielt, weil ich befürchtete, er könnte aus reiner Anspannung heraus unkontrolliert abdrücken und einen von uns, auf die er abwechselnd mit dem Lauf der Pistole deutete, treffen. »Aber ihr werdet auch nichts mehr davon haben!«, schloss Carl und richtete die Pistole mit irrsinniger Entschlossenheit direkt auf Judiths Gesicht.
    Ich zweifelte nicht daran, dass er sie töten würde. Ich würde es nicht zulassen, für nichts auf der Welt würde ich in Kauf nehmen, dass ihr etwas geschah, dass sie starb, nicht einmal um den
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