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Nebelfront - Hinterm Deich Krimi

Nebelfront - Hinterm Deich Krimi

Titel: Nebelfront - Hinterm Deich Krimi
Autoren: emons Verlag
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Während Diebe es gewöhnlich auf die
anscheinend wohlhabenderen Gegenden abgesehen haben, stiegen diese Täter in als
bürgerlich zu bezeichnenden Bezirken in fremde Wohnungen ein.
    Er wurde beim Lesen durch die Tür unterbrochen, die aufgerissen
wurde, mit einem Knall gegen das Aktenregal stieß, einen Stoß bekam und wieder
ins Schloss fiel. Christoph sah auf und beobachtete, wie Oberkommissar Große
Jäger an seinen Schreibtisch trat, die Schublade hervorzog, sich krachend in
seinen Bürostuhl warf und die Füße in der Schublade parkte.
    »Moin, sagt der Bauer, wenn er in die Stadt kommt«, begrüßte
Christoph seinen Kollegen, mit dem er sich aus lieb gewordener Tradition das
Büro teilte, obwohl ihm ein Einzelzimmer zugestanden hätte.
    Der dritte Schreibtisch im Raum war verwaist. Dort hatte früher »das
Kind« gesessen. So hatte Große Jäger Kommissar Harm Mommsen genannt, bevor der
an der Polizeihochschule in Münster studiert hatte, zum Kriminalrat befördert
worden war und heute Leiter der Kriminalpolizei in Ratzeburg war.
    »Bin ich ein Bauer?«, grunzte der Oberkommissar.
    »Nein«, erwiderte Christoph. »Im Unterschied zu dir können die sich
benehmen.«
    »Willst du mich schon zu früher Stunde anmachen?«
    Der Oberkommissar schien schlecht geschlafen zu haben. Vielleicht war
er auch nur müde, weil er am Vorabend einen »Inspektionsgang« durch die
Neustadt unternommen hatte. In diesem Straßenzug fand sich eine Kneipe neben
der anderen. Und wenn man in jeder nur ein Bier trank, reichte es für eine
mittlere Alkoholvergiftung.
    »Ja«, erwiderte Christoph und fuhr fort: »Es hat wieder Einbrüche
gegeben. Diesmal am Stadtweg.«
    Große Jäger gab einen undefinierbaren Laut von sich.
    »Was will der Seniorkommissar damit sagen?«, erkundigte sich
Christoph.
    »Das nimmt allmählich überhand. Wieder in einfache Wohnungen? Bei
normalen Menschen?«
    »In Nordfriesland wohnen nur normale Menschen«, belehrte ihn
Christoph.
    Der Oberkommissar schob ein paar Papiere zur Seite, die er beim
Verlassen seines Arbeitsplatzes am Vortag so hatte liegen lassen, wie er sie
gerade in Bearbeitung hatte. Mit seinem Zeigefinger, unter dessen Nagel ein
Trauerrand beheimatet war, fuhr er an dem auf der Schreibtischunterlage
gedruckten Kalender entlang.
    »Hast du auf den Kalender gesehen?«, fragte Große Jäger.
    »Ja. Der zweite Oktober.«
    »Heute ist der Tag der deutschen Zwietracht.«
    »So? Das habe ich anders in Erinnerung.«
    Der Oberkommissar schüttelte den Kopf. »Ich sehe nicht nach Osten in
die neuen Länder. Für die Wiedervereinigung ist der Tag schon okay. Wir
brauchen einen weiteren Feiertag, an dem sich Bayern an die Einheit mit dem
Rest der Republik erinnert.«
    Christoph stöhnte auf. »Nun fang nicht wieder an, über den
bayerischen Verkehrsminister zu schimpfen.«
    »Warum nicht? Sieh dir unsere B 5 an. Bis zur Kreisgrenze ist
die gut ausgebaut. Und dann? Und wenn du das übergeordnet betrachtest, taugt
der Nord-Ostsee-Kanal bald nur noch für Ruderregatten. Da hat sich der alte
Kaiser Wilhelm ins Zeug gelegt und den Kanal buddeln lassen, hat uns die
Sektsteuer beschert, um den Kanal damit zu finanzieren. Und heute? Du kannst
saufen, so viel du willst. Das gibt höchstens eine kaputte Leber, aber keinen
Meter Kanalsanierung.« Große Jäger zog die Stirn kraus. »Kann es sein, dass
manche Menschen schon vor der Geburt sündigen?«
    »Ja. Wir sind alle mit der Erbsünde belastet.«
    »Nein, das meine ich nicht. Ich meine die bedauernswerten Menschen,
die etwas anderes begangen haben müssen und zur Strafe in Bayern mit dem
dortigen Dialekt geboren wurden.«
    Christoph sah zum Oberkommissar hinüber. »Hast du nichts zu tun und
musst philosophische Betrachtungen anstellen?«
    Große Jäger stöhnte auf. »Unbequem«, maulte er und veränderte seine
Sitzposition.
    Die herausgezogene Schreibtischschublade gab einen ächzenden Ton von
sich, als er seine dort geparkten Füße bewegte. Dann lehnte er sich zurück und
verschränkte die Hände im Nacken.
    »Hätte man dir damals in Kiel etwas Anständiges beigebracht, zum
Beispiel das vernünftige Betätigen einer Tastatur mit zehn Fingern, würde es
nicht so abgehackt klingen. Dabei kann man nicht in Ruhe denken.«
    »Ist ›Denken‹ im Münsterland ein anderer Begriff für ›Schlummern‹?
Oder ist das Wilderich-spezifisch?«
    »Beleidige mir nicht meine Westfalen. Die sind einmalig in
Deutschland. Fast wäre ein Münsteraner Bundespräsident
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