Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nathaniels Seele

Titel: Nathaniels Seele
Autoren: Britta Strauß
Vom Netzwerk:
beinahe zu überschlagen. „Nein, du bekommst mich nicht.“
    Nathaniels Hand streckte sich aus. Er ließ Zeige- und Mittelfinger über die blutige Wange seines Gegners gleiten, zog sie zurück und malte jeweils zwei senkrechte Streifen auf seine Wangen.
    „Nur um dem klassischen Bild zu entsprechen.“ Er ließ seine Hand um Hazlewoods Kehle zuschnappen. Sein Blick bohrte sich in die schreckgeweiteten Augen des Anwalts, bohrte sich tiefer und tiefer hinein. Es gelang ihm nur mühsam, denn der Geist seines Opfers begann, sich mit überraschendem Geschick zu verschließen. Es fühlte sich an, als versuche er, durch zähen Teer zu schwimmen.
    „Nein!“ Ein Schauder ging durch Hazlewoods Körper. „Ich bin … noch nicht fertig.“
    Er drückte irgendetwas gegen Nathaniels Oberschenkel. Zu spüren war lediglich eine kühle Berührung, also ignorierte er es und fokussierte seine Sinne allein darauf, die Mauer des sich ihm widersetzenden Geistes zu durchdringen. Doch unvermittelt zuckte ein Stromschlag durch seinen Körper. Nathaniel fiel gegen den Schreibtisch und spürte einen weiteren Impuls, der seine Beine lähmte und ihn zu Boden zwang. Hazlewood drückte das Gerät gegen seine Schulter. Wieder zuckte ein Schlag durch seinen Körper, dann ein zweiter und dritter. Ein Netz schien sich um Gehirn und Nerven zusammenzuziehen und machte jede kontrollierte Bewegung unmöglich.
    „Was für ein nettes Spielzeug.“ Blut tropfte auf Nathaniel hinab, als Hazlewood sich über ihn beugte. „Und bestens geeignet, jemanden wie dich in Schach zu halten. Die Lähmung hält nur kurz an, aber es dürfte genügen. Du hättest fliehen sollen, gemeinsam mit deiner Gespielin. Es war ein Fehler, zu mir zu kommen. Jemanden zu überschätzen, ist nicht gut. Aber jemanden zu unterschätzen, hat schon viele Karren in den Dreck gefahren.“
    Er wandte sich um, ging zur Wand und nahm das Messer aus der Halterung. Seine Klinge, elegant gebogen und nadelspitz, steckte in einem reich verzierten Elfenbeingriff.
    „Ich hätte nicht übel Lust, ein paar Dinge an dir auszuprobieren.“ Hazlewood ging neben Nathaniel in die Knie und legte die Spitze des Messers an seinen Hals. Die Schmerzen der aufgeschlitzten Wange und der Nachhall der Angst legten einen fiebrigen Glanz auf seine Augen. „Würde sie wieder zusammenwachsen, wenn ich dir die Kehle durchtrenne? Würde das Herz, das ich herausschneide, neu entstehen?“
    Nathaniels Stimmbänder versagten ihm den Dienst. Ein Hauch von Gefühl kehrte in seine Finger zurück, genügte jedoch bei Weitem nicht, um die Kontrolle zurückzuerlangen. Dennoch empfand er zaghafte Hoffnung. Die Impulse wurden schwächer. Noch ein paar Momente, und …
    „Vielleicht finde ich in deinem Schmerz eine Antwort.“ Hazlewood setzte das Gerät erneut an. Nathaniels Hoffnung ging unter in einer Kaskade greller Blitze, die über seine zusammengepressten Augenlider tanzten. „Vielleicht öffnet mir dein Tod die Augen. Ich würde gern sehen, was du siehst. Oder sehen wirst.“
    Das Messer glitt in die Vertiefung seiner Kehle, wanderte tiefer hinab und trennte den ersten Knopf des teuren, schwarzen Hemdes auf, das man ihm heute Morgen überreicht hatte. Hazlewoods Gesicht verwandelte sich in versteinertes Holz. Mit einem wütenden Schnitt trennte er das Hemd ganz auf und schob den Stoff beiseite.
    „Ich frage mich eines.“ Die Hand des Anwalts legte sich auf Nathaniels Brustkorb. Wild und zornig schlug sein Herz gegen kalte Haut. „Wie lange wärst du tot, wenn ich es dir herausschneide? Würdest du wiederkehren oder wäre der Geist gezwungen, sich einen neuen Körper zu suchen?“
    „Töte mich,“ stieß Nathaniel hervor, „und der Geist wird für dich verloren sein.“
    „Du warst ein Mensch, bevor er dich veränderte. Es muss etwas Greifbares sein. Etwas, das extrahiert und übertragen werden kann. Die moderne Medizin entpuppt sich als Heiliger Gral. Nein, ich töte dich nicht. Das wird Dr. Timmons für mich erledigen.“
    Hazlewood verpasste ihm einen weiteren Impuls, stand auf und nahm das Telefon vom Schreibtisch. Er drückte eine einzelne Ziffer. „Bereite alles vor“, knurrte der Anwalt. „Wir tun es jetzt. Aber zuerst komm her und hilf mir, unseren Ehrengast hochzubringen. Ach ja, und sage Greg, er soll sich um die Frau kümmern. Ich will, dass sie zusieht.“

     
    Josephine stand da und starrte die Tür an. Sie tat so lange nichts anderes, bis ihr Arm verkrampfte und ihr Blick verschwamm. Wo blieb
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher