Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
Vom Netzwerk:
besondern Krone lohnen.

    Und dieser Krone, - sagt der Patriarch, -

    Sei niemand würd’ger, als mein Herr.
    TEMPELHERR. Als
    ich?
    KLOSTERBRUDER. Denn diese Krone zu verdienen, - sagt Der Patriarch, - sei schwerlich jemand auch

    Geschickter, als mein Herr.
    TEMPELHERR. Als
    ich?
    KLOSTERBRUDER. Er sei

    Hier frei; könn’ überall sich hier besehn;

    Versteh’, wie eine Stadt zu stürmen und

    Zu schirmen; könne, - sagt der Patriarch, -

    Die Stärk’ und Schwäche der von Saladin

    Neu aufgeführten, innern, zweiten Mauer

    Am besten schätzen, sie am deutlichsten

    Den Streitern Gottes, - sagt der Patriarch, -
    Beschreiben.
    TEMPELHERR. Guter
    Bruder, wenn ich doch

    Nun auch des Briefchens nähern Inhalt wüßte.

    18
    KLOSTERBRUDER. Ja den, - den weiß ich nun wohl nicht so recht.

    Das Briefchen aber ist an König Philipp. -

    Der Patriarch … Ich hab mich oft gewundert,

    Wie doch ein Heiliger, der sonst so ganz

    Im Himmel lebt, zugleich so unterrichtet

    Von Dingen dieser Welt zu sein herab

    Sich lassen kann. Es muß ihm sauer werden.
    TEMPELHERR.
    Nun dann? der Patriarch? -
    KLOSTERBRUDER. Weiß ganz genau,

    Ganz zuverlässig, wie und wo, wie stark,

    Von welcher Seite Saladin, im Fall

    Es völlig wieder losgeht, seinen Feldzug
    Eröffnen
    wird.
    TEMPELHERR. Das
    weiß
    er?
    KLOSTERBRUDER. Ja, und möcht’

    Es gern dem König Philipp wissen lassen:

    Damit der ungefähr ermessen könne,

    Ob die Gefahr denn gar so schrecklich, um

    Mit Saladin den Waffenstillestand,

    Den Euer Orden schon so brav gebrochen,

    Es koste was es wolle, wiederher -
    Zustellen.
    TEMPELHERR.
    Welch ein Patriarch! - Ja so!

    Der liebe tapfre Mann will mich zu keinem
    Gemeinen
    Boten;
    will mich - zum Spion. -

    Sagt Euerm Patriarchen, guter Bruder,

    Soviel Ihr mich ergründen können, wär’

    Das meine Sache nicht. - Ich müsse mich

    Noch als Gefangenen betrachten; und

    Der Tempelherren einziger Beruf

    Sei mit dem Schwerte dreinzuschlagen, nicht

    Kundschafterei zu treiben.
    KLOSTERBRUDER. Dacht’ ich’s doch! -

    Will’s auch dem Herrn nicht eben sehr verübeln. -

    Zwar kömmt das Beste noch. - Der Patriarch

    Hiernächst hat ausgegattert, wie die Feste

    Sich nennt, und wo auf Libanon sie liegt,

    In der die ungeheuern Summen stecken,

    Mit welchen Saladins vorsicht’ger Vater

    Das Heer besoldet, und die Zurüstungen
    Des
    Kriegs
    bestreitet. Saladin verfügt

    Von Zeit zu Zeit auf abgelegnen Wegen

    Nach dieser Feste sich, nur kaum begleitet. -
    Ihr
    merkt
    doch?
    TEMPELHERR. Nimmermehr!
    KLOSTERBRUDER. Was wäre da

    Wohl leichter, als des Saladins sich zu

    Bemächtigen? den Garaus ihm zu machen? -

    19

    Ihr schaudert? - O es haben schon ein paar

    Gottsfürcht’ge Maroniten sich erboten,

    Wenn nur ein wackrer Mann sie führen wolle,

    Das Stück zu wagen.
    TEMPELHERR. Und
    der
    Patriarch

    Hätt’ auch zu diesem wackern Manne mich
    Ersehn?
    KLOSTERBRUDER. Er glaubt, daß König Philipp wohl

    Von Ptolemais aus die Hand hierzu

    Am besten bieten könne.
    TEMPELHERR.
    Mir? mir, Bruder?

    Mir? Habt Ihr nicht gehört? nur erst gehört,
    Was
    für
    Verbindlichkeit dem Saladin
    Ich
    habe?
    KLOSTERBRUDER. Wohl hab ich’s gehört.
    TEMPELHERR. Und
    doch?
    KLOSTERBRUDER. Ja, - meint der Patriarch, - das wär’ schon gut: Gott aber und der Orden …
    TEMPELHERR. Ändern
    nichts!

    Gebieten mir kein Bubenstück!
    KLOSTERBRUDER. Gewiß nicht! -

    Nur, - meint der Patriarch, - sei Bubenstück

    Vor Menschen, nicht auch Bubenstück vor Gott.
    TEMPELHERR.
    Ich wär’ dem Saladin mein Leben schuldig:

    Und raubt’ ihm seines?
    KLOSTERBRUDER. Pfui! - Doch bliebe, - meint

    Der Patriarch, - noch immer Saladin

    Ein Feind der Christenheit, der Euer Freund

    Zu sein, kein Recht erwerben könne.
    TEMPELHERR. Freund?

    An dem ich bloß nicht will zum Schurken werden;
    Zum
    undankbaren
    Schurken?
    KLOSTERBRUDER. Allerdings! -

    Zwar, - meint der Patriarch, - des Dankes sei

    Man quitt, vor Gott und Menschen quitt, wenn uns

    Der Dienst um unsertwillen nicht geschehen.

    Und da verlauten wolle, - meint der Patriarch, -

    Daß Euch nur darum Saladin begnadet,

    Weil ihm in Eurer Mien’, in Euerm Wesen

    So was von seinem Bruder eingeleuchtet …
    TEMPELHERR.
    Auch dieses weiß der Patriarch; und doch? -

    Ah! wäre das gewiß! Ah, Saladin! -

    Wie? die Natur hätt’ auch nur einen Zug

    Von mir in deines Bruders Form gebildet:

    Und dem entspräche nichts in meiner Seele?

    Was dem entspräche, könnt’ ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher