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Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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dem nur möglich, der die strengsten

    Entschlüsse, die unbändigsten Entwürfe

    Der Könige, sein Spiel - wenn nicht sein Spott -

    Gern an den schwächsten Fäden lenkt.
    RECHA. Mein
    Vater!

    Mein Vater, wenn ich irr, Ihr wißt, ich irre
    Nicht
    gern.
    NATHAN.
    Vielmehr, du läßt dich gern belehren. -

    Sieh! eine Stirn, so oder so gewölbt;

    Der Rücken einer Nase, so vielmehr

    Als so geführet; Augenbraunen, die

    Auf einem scharfen oder stumpfen Knochen

    So oder so sich schlängeln; eine Linie,

    Ein Bug, ein Winkel, eine Falt’, ein Mal,

    Ein Nichts, auf eines wilden Europäers

    Gesicht: - und du entkömmst dem Feu’r, in Asien!

    Das wär’ kein Wunder, wundersücht’ges Volk?

    Warum bemüht ihr denn noch einen Engel?
    DAJA.
    Was schadet’s - Nathan, wenn ich sprechen darf -

    Bei alledem, von einem Engel lieber

    Als einem Menschen sich gerettet denken?

    Fühlt man der ersten unbegreiflichen
    Ursache
    seiner
    Rettung nicht sich so
    Viel
    näher?
    NATHAN.
    Stolz! und nichts als Stolz! Der Topf

    Von Eisen will mit einer silbern Zange

    Gern aus der Glut gehoben sein, um selbst

    Ein Topf von Silber sich zu dünken. - Pah! -

    Und was es schadet, fragst du? was es schadet?

    Was hilft es? dürft’ ich nur hinwieder fragen. -

    Denn dein »Sich Gott um so viel näher fühlen«

    Ist Unsinn oder Gotteslästerung. -

    Allein es schadet; ja, es schadet allerdings. -

    Kommt! hört mir zu. - Nicht wahr? dem Wesen, das

    Dich rettete, - es sei ein Engel oder

    Ein Mensch, - dem möchtet ihr, und du besonders,

    Gern wieder viele große Dienste tun? -

    Nicht wahr? - Nun, einem Engel, was für Dienste,

    Für große Dienste könnt ihr dem wohl tun?

    Ihr könnt ihm danken; zu ihm seufzen, beten;

    Könnt in Entzückung über ihn zerschmelzen;

    Könnt an dem Tage seiner Feier fasten,

    Almosen spenden. - Alles nichts. - Denn mich

    Deucht immer, daß ihr selbst und euer Nächster

    Hierbei weit mehr gewinnt, als er. Er wird

    Nicht fett durch euer Fasten; wird nicht reich

    Durch eure Spenden; wird nicht herrlicher

    9

    Durch eu’r Entzücken; wird nicht mächtiger

    Durch eu’r Vertraun. Nicht wahr? Allein ein Mensch!
    DAJA.
    Ei freilich hätt’ ein Mensch, etwas für ihn

    Zu tun, uns mehr Gelegenheit verschafft.

    Und Gott weiß, wie bereit wir dazu waren!

    Allein er wollte ja, bedurfte ja

    So völlig nichts; war in sich, mit sich so

    Vergnügsam, als nur Engel sind, nur Engel
    Sein
    können.
    RECHA.
    Endlich, als er gar verschwand …
    NATHAN.
    Verschwand? - Wie denn verschwand? -
    Sich
    untern
    Palmen

    Nicht ferner sehen ließ? - Wie? oder habt

    Ihr wirklich schon ihn weiter aufgesucht?
    DAJA.
    Das nun wohl nicht.
    NATHAN.
    Nicht, Daja? nicht? - Da sieh

    Nun was es schad’t! - Grausame Schwärmerinnen! -

    Wenn dieser Engel nun - nun krank geworden! …
    RECHA. Krank!
    DAJA.
    Krank! Er wird doch nicht!
    RECHA.
    Welch kalter Schauer

    Befällt mich! - Daja! - Meine Stirne, sonst

    So warm, fühl! ist auf einmal Eis.
    NATHAN. Er
    ist

    Ein Franke, dieses Klimas ungewohnt;

    Ist jung; der harten Arbeit seines Standes,

    Des Hungerns, Wachens ungewohnt.
    RECHA. Krank!
    krank!
    DAJA.
    Das wäre möglich, meint ja Nathan nur.
    NATHAN.
    Nun liegt er da! hat weder Freund, noch Geld

    Sich Freunde zu besolden.
    RECHA. Ah,
    mein
    Vater!
    NATHAN.
    Liegt ohne Wartung, ohne Rat und Zusprach’,

    Ein Raub der Schmerzen und des Todes da!
    RECHA. Wo?
    wo?
    NATHAN.
    Er, der für eine, die er nie

    Gekannt, gesehn - genug, es war ein Mensch -

    Ins Feu’r sich stürzte …
    DAJA.
    Nathan, schonet ihrer!
    NATHAN.
    Der, was er rettetet, nicht näher kennen,

    Nicht weiter sehen mocht’, - um ihm den Dank

    Zu sparen …
    DAJA.
    Schonet ihrer, Nathan!
    NATHAN. Weiter

    Auch nicht zu sehn verlangt’, - es wäre denn,

    Daß er zum zweitenmal es retten sollte -

    Denn g’nug, es ist ein Mensch …
    DAJA.
    Hört auf, und seht!

    10
    NATHAN.
    Der, der hat sterbend sich zu laben, nichts -

    Als das Bewußtsein dieser Tat!
    DAJA. Hört
    auf!
    Ihr
    tötet
    sie!
    NATHAN.
    Und du hast ihn getötet! -

    Hättst so ihn töten können. - Recha! Recha!

    Es ist Arznei, nicht Gift, was ich dir reiche.

    Er lebt! - komm zu dir! - ist auch wohl nicht krank:

    Nicht einmal krank!
    RECHA.
    Gewiß? - nicht tot? nicht krank?
    NATHAN.
    Gewiß, nicht tot! Denn Gott lohnt Gutes, hier

    Getan, auch hier noch. - Geh! - Begreifst du aber,

    Wieviel andächtig schwärmen leichter, als

    Gut handeln ist? wie gern der schlaffste
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