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Narziss und Goldmund

Titel: Narziss und Goldmund
Autoren: Hermann Hesse
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Werk, oft kam er herüber, die Werkstatt wurde ihm zuzeiten der liebste Raum im Kloster. Mit Freude und Erstaunen sah er zu. Da kam nun zur Blüte, was sein Freund in seinem unruhigen, trotzigen und kindlichen Herzen getragen hatte, da wuchs und blühte es herauf, eine Schöpfung, eine kleine quellende Welt ein Spiel vielleicht, aber gewiß kein schlechteres als das Spiel mit Logik, Grammatik und Theologie.
    Nachdenklich sagte er einmal »Ich lerne viel von dir, Goldmund Ich beginne zu verstehen, was Kunst ist Früher schien mir, sie sei, mit dem Denken und der Wissenschaft verglichen, nicht ganz ernst zu nehmen Ich dachte etwa so da nun einmal der Mensch eine zweifelhafte Mischung aus Geist und Materie ist, da ihm der Geist die Erkenntnis des Ewigen öffnet, die Materie aber ihn hinabzieht und ans Vergängliche fesselt, sollte er von den Sinnen weg ins Geistige streben, um sein Leben zu erhöhen und ihm Sinn zu geben Ich gab zwar vor, die Kunst hochzuachten, aus Gewohnheit, aber eigentlich war ich hochmutig und sah auf sie herab Jetzt erst sehe ich, wie viele Wege zur Erkenntnis es gibt und daß der Weg des Geistes nicht der einzige und vielleicht nicht der beste ist Es ist mein Weg, gewiß, ich werde auf ihm bleiben Aber ich sehe dich auf dem entgegengesetzten Weg, auf dem Weg durch die Sinne, das Geheimnis des Seins ebenso tief erfassen und viel lebendiger ausdrucken, als die meisten Denker es können.«
    »Du begreifst nun«, sagte Goldmund, »daß ich nicht verstehen kann, was Denken ohne Vorstellungen sein soll!«
    »Ich habe es längst begriffen . Unser Denken ist ein beständiges Abstrahieren, ein Wegsehen vom Sinnlichen, ein Versuch am Bau einer rein geistigen Welt Du aber nimmst gerade das Unbeständigste und Sterblichste ans Herz und verkündest den Sinn der Welt gerade im Vergänglichen Du siehst nicht davon weg, du gibst dich ihm hin, und durch deine Hingabe wird es zum Höchsten, zum Gleichnis des Ewigen Wir Denker suchen uns Gott zu nähern , indem wir die Welt von ihm abziehen Du näherst dich ihm, indem du seine Schöpfung liebst und nochmals erschaffst Beides ist Menschenwerk und unzulänglich, aber die Kunst ist unschuldiger.«
    »Ich weiß nicht, Narziß Aber mit dem Leben fertig zu werden, die Verzweiflung abzuwehren, das scheint euch Denkern und Theologen doch besser zu gelingen. Ich beneide dich längst nicht mehr um deine Wissenschaft, mein Freund, aber ich beneide dich um deine Ruhe, um deinen Gleichmut, um deinen Frieden.«
    »Du solltest mich nicht beneiden, Goldmund. Es gibt keinen Frieden, so, wie du es meinst. Es gibt den Frieden, gewiß, aber nicht einen, der dauernd in uns wohnt und uns nicht mehr verläßt. Es gibt nur einen Frieden, der immer und immer wieder mit unablässigem Kämpfen erstritten wird und von Tag zu Tag neu erstritten werden muß. Du siehst mich nicht streiten, du kennst weder meine Kämpfe beim Studium, noch kennst du meine Kämpfe in der Betzelle. Es ist gut, daß du sie nicht kennst. Du siehst nur, daß ich weniger als du Launen unterworfen bin, das hältst du für Frieden. Es ist aber Kampf, es ist Kampf und Opfer wie jedes rechte Leben, wie das deine auch.«
    »Wir wollen darüber nicht streiten. Auch du siehst meine Kämpfe nicht alle. Und ich weiß nicht, ob du verstehen kannst, wie mir ums Herz ist, wenn ich daran denke, daß nun bald dieses Werk hier fertig sein wird. Es wird dann fortgebracht und aufgestellt, und man sagt mir einige Lobsprüche, und dann kehre ich in eine nackte leere Werkstatt zurück, betrübt über alles das, was in meinem Werk mir nicht gelungen ist und was ihr andern gar nicht sehen könnt, und bin im Innern so leer und beraubt, wie die Werkstatt es ist.«
    »Das mag so sein«, sagte Narziß, »und keiner von uns kann den andern dann ganz verstehen. Gemeinsam aber ist allen Menschen, die des gut en Willens sind, dieses daß unsere Werke uns am Ende beschämen, daß wir immer wieder von vorn beginnen müssen, daß das Opfer immer neu gebracht werden muß.«
    Einige Wochen später war Goldmunds große Arbeit fertig und aufgestellt. Es wiederholte sich, was er schon längst erlebt hatte: sein Werk ging in den Besitz der andern über, ward betrachtet, beurteilt, gelobt, man rühmte ihn und erwies ihm Ehre, sein Herz aber und seine Werkstatt standen leer, und er Arbeit, um desto eher frei zu werden. Und wie ihm aus dem Holz die Gestalt Lydias allmählich entgegenkam, wie er von ihren edlen Knien die strengen Kleidfalten niederstreben ließ,
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