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Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Titel: Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
Autoren: Franziska Steinhauer
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sollten sie vielleicht auch bedenken. Aber gut – dann erzählen Sie mir etwas über Ihre Familie.«
    »Familie. Die ist klein. Außer mir gibt es noch meinen Bruder Paul. Und Großvater.«
    »Wohnt Ihr Bruder auch hier?«
    »Oh, nein. Der gnädige Herr zog vor einiger Zeit aus und wohnt jetzt in der Stadt. Bis vor ein paar Monaten wohnte Opa noch mit im Haus. Aber er hat sich ständig mit meinem Vater gestritten und eines Tages ist er ohne ein Wort gegangen. Er wohnt jetzt in einer Seniorenwohnanlage und ich durfte oben in seine Räume einziehen.«
    »Und warum ist Ihr Bruder ausgezogen?«
    »Streit und Knatsch. Das Übliche!«
     
    Es klingelte und Markus Mehring erhob sich achselzuckend.
    »Noch mehr von Ihrem Trupp?«
    »Nein. Eher nicht.«
    Der Sohn des Hauses ging öffnen und kurze Zeit später stand ein weiterer aufgelöster junger Mann im Zimmer, die Jacke schief geknöpft, die lockigen Haare wirr mit flackerndem Blick.
    »Ist das wahr? Vater wurde ermordet?«
    Aha, dachte Nachtigall, der zweite Sohn des Hauses.
    »Mein Bruder Paul. Das ist die Kripo«, damit wies er auf Nachtigall.
    »Wo ist Mutter?«, fragte Paul Mehring aggressiv und sein Blick irrte durch den Raum.
    »Sie schläft oben. Dr. Bender hat ihr was Beruhigendes gespritzt. Los, setz dich her. Wir suchen Vaters Mörder.«
    »Woher wissen Sie von dem Mord?«
    »Jemand aus dem Fanprojekt hat mich angerufen.« Paul warf seine Jacke achtlos über einen der Sessel.
    »Aha. Mein Beileid.« Nachtigall schüttelte dem ältesten Sohn die Hand, doch der schien es nicht einmal zu bemerken. »Ging Ihr Vater regelmäßig zu den Spielen?«
    »Nur zu den Heimspielen – aber da hat er keins verpasst.«
    »Das bedeutet, der Täter konnte mit einer gewissen Sicherheit davon ausgehen, Ihren Vater beim Spiel anzutreffen. Hatte er einen Stammplatz?«
    »Ja. Schon seit Jahren. Er hatte eine Dauerkarte.«
    »Fußball war also sein großes Hobby?«
    »Nur eins von mehreren. Er war auch aktiv im Karnevalsverein – sehr zum Missfallen meines Bruders«, antwortete Markus und grinste Paul giftig an.
    »Aha – und warum hat Sie das gestört?«
    »Weil es ein stupides Verhalten ist. Bestellte Fröhlichkeit, platte Witze auf Kosten anderer, Alkohol in Strömen, um im Nachhinein sein mieses Benehmen entschuldigen zu können. Nein, für so etwas habe ich nichts übrig.« Selbst in dieser Situation wurde deutlich, wie viel Fanatismus in dem jungen Mann steckte.
    Nachtigall betrachtete die beiden Brüder nachdenklich, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Markus Mehring hatte die untersetzte Statur seines Vaters und würde bestimmt später immer gegen sein latentes Übergewicht zu kämpfen haben. Die fast schwarzen Haare trug er kurz, allerdings nicht so steil hochgeföhnt wie sein Vater. Aus dunklen Augen unter geraden Brauen warf er spöttische Blicke auf seine Mitmenschen. Paul Mehring dagegen war schmalbrüstig und hochgewachsen. Seine lockigen, blonden Haare, die an den Afrolook der 80er-Jahre erinnerten, standen ab und fielen ihm weich bis über die Schultern. Sein Blick hatte etwas Wahnhaftes, sein Auftreten war provokant und zornig. Peter Nachtigall kannte das: Energie für eine Sache ob gut oder schlecht, ein brennendes Feuer.
    Jetzt fiel ihm auch die sonderbare Kleidung des ältesten Sohnes auf, eine blaugrüne Tunika über einer weiten, blaugrünen Hose.
    »Ach, Sie gehören den Mind Watchers an, nicht wahr?«
    »Schlimmer noch, Herr Hauptkommissar, viel schlimmer. Mein Bruder ist eines der Gründungsmitglieder dieser intoleranten Bewegung. No fun for anyone!«
    »Ach du, du hast doch überhaupt keine Ahnung! Du solltest dein Leben kritisch beleuchten. Was machst du schon, außer den lieben langen Tag am Computer rumzuspielen? Glaubst du wirklich, das sei das Leben?«, er beugte sich leicht vor und trat so nah an seinen Bruder heran, dass ihre Nasen sich beinahe berührten. Nachtigall bemerkte die geballten Fäuste des Älteren, der sich offenbar zu beherrschen versuchte.
    »Das geht dich einen Dreck an, Brüderchen! Ich lebe so, wie ich es will!«
    »Das ist eben die große Illusion! Leben ist: Wenn man den Wind, den Regen, die Sonne, den Schnee spürt, andere Leute trifft und nicht, wenn das Wetter nur computeranimiert über den Bildschirm huscht und man virtuelle Helden in lebensgefährliche Abenteuer stürzt!«
    Nachtigall sah verblüfft von einem zum anderen. Den Mord an ihrem Vater schienen sie völlig vergessen zu haben.
    »Ihr Vater hatte doch
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