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Nadelstiche

Nadelstiche

Titel: Nadelstiche
Autoren: Baden & Kenney
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Handyanruf entgegen, ehe George noch eine weitere Note seiner Erkennungsmelodie von sich geben konnte.
    ’tschuldigung, formte sie lautlos mit den Lippen Richtung Jake. »Hi, Kenneth«, trällerte sie dann ins Telefon. »Was gibt’s?«
    Jakes Augenbrauen rutschten tiefer. Noch immer traute er Mannys Assistenten Kenneth nicht so ganz über den Weg. Er war ein ehemaliger Mandant, der sich seine juristischen Kenntnisse im Gefängnis angeeignet hatte. Kenneth meldete sich mindestens zwanzigmal täglich bei Manny, um mit ihr die unterschiedlichsten Themen zu erörtern, vom jüngsten Klatsch und Tratsch auf der Webseite des New York Social Diary bis hin zu der Frage, ob in einer Eingabe beim Bundesberufungsgericht der Grundsatz der Bindung an Vorentscheidungen geltend gemacht werden sollte oder nicht.
    »Natürlich war es richtig, dass du anrufst. Das ist sehr wichtig. Warte mal kurz.« Manny stand auf und entfernte sich einige Schritte, außer Hörweite. Jake stach auf seine Erbsen ein.
    Keine zehn Minuten später kehrte Manny zum Tisch zurück, doch Jake hielt den Blick stur auf den Teller gerichtet.
    »Rate mal, warum Kenneth angerufen hat?«
    »Dreistündiger Sonderverkauf bei Saks.«
    »Spaßvogel. Es war übrigens ein Sonderverkauf bei T. J. Maxx. Manchmal kann ich mich auch beherrschen.«
    »Manny, ich weiß, eure Beziehung ist eigenar-, sagen wir, sehr speziell, ich weiß, dass er dich als seine Retterin verehrt und du ihn als deine Eliza Doolittle betrachtest, aber …«
    »Aber was? Er ist ein Naturtalent aus armen Verhältnissen. Bloß weil er eine Diva ist, heißt das noch lange nicht, dass er was gegen ehrliche und harte Arbeit hat.«
    Manny war Kenneth Medianos Boyd nach seiner ersten irrtümlichen Festnahme vom zuständigen Gericht als Pflichtverteidigerin zugewiesen worden. Beim zweiten Mal wurde er während der jährlichen Halloweenparade in Greenwich Village wegen allzu spärlicher Garderobe einkassiert. Sein Alter Ego, die Chanteuse Princess K, hatte einige an strategisch wichtiger Stelle angebrachte Federn verloren, die von Truthähnen stammten, die das letzte Thanksgiving nicht überlebt hatten.
    Manny erkannte sofort, was Kenneth zu bieten hatte: einen ausprägt dramatischen Sinn für Mode, gepaart mit einer Ausbildung zum Anwaltsgehilfen, die er absolviert hatte, während er vor seiner Reinkarnation als Dragqueen hinter Gittern saß. Kenneth vergötterte Manny, weil sie seine Fähigkeiten und seine Intelligenz zu würdigen wusste. Sie festigten ihre Freundschaft im Outlet-Shop der Kaschmirmarke TSE, und sie bot ihm einen Assistentenjob an.
    »Ich weiß, ich weiß, und er hält dir den Rücken frei. Aber muss er dich denn pausenlos anrufen? Wofür hast du einen Assistenten, wenn er dich ständig nervt? Eigentlich soll er dir doch Arbeit abnehmen.«
    »Du bist bloß eifersüchtig auf die anderen Männer in meinem Leben.« Sie blickte zu Mycroft hinunter, um sowohl ihren Ärger als auch ihr Lächeln zu verbergen.
    »Männer? Als Kenneth mir letzte Woche diese Unterlagen nach Hause gebracht hat, trug er Nagellack, der anscheinend je nach Temperatur die Farbe wechselt. Als er kam, hatte er rosa Fingernägel, und bis er nach einem kleinen Plausch endlich den Umschlag rüberwachsen ließ, waren die königsblau geworden. Ganz zu schweigen davon, dass er ein bodenlanges Abendkleid trug.«
    »Er verdient sich bloß in den Downtown-Clubs was als Chanteuse ehrlich dazu, wenn er nicht gerade meine Kanzlei hütet, meine Schriftsätze schreibt, meine Buchhaltung macht und meine Mandanten am Telefon beruhigt, sodass ich in der Gegend rumgondeln kann, um dir bei deinen Fällen zu helfen.«
    Manny holte einmal tief Luft und sprach dann weiter. »Kenneth hat mir nur gesagt, dass die Mutter von einem dieser Nachwuchsterroristen angerufen hat, um mich als Anwältin für ihren Sohn zu engagieren.«
    »Hast du nicht eben gesagt, die Jungs sind erledigt? Warum solltest du so einen Fall annehmen?«
    »Erstens, man will diesen Kids etwas anhängen, an ihnen ein Exempel statuieren, damit die Obrigkeit sagen kann: ›Schaut her, was wir alles tun, um euch vor Terroristen zu schützen.«‹
    »Etwas anhängen!« Jake zeigte mit seiner Gabel auf sie. »Wie kommst du denn darauf? Bis jetzt weißt du nur das, was du in den Nachrichten gehört hast. Und wir wissen beide, wie falsch das sein kann.«
    Manny schob die vorwurfsvolle Gabel beiseite. »Ich weiß aus Erfahrung, wie die Staatsanwaltschaft arbeitet. Außerdem ist der Fall
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