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Nackte Angst

Nackte Angst

Titel: Nackte Angst
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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Irgendwo draußen hatte sie längst der brodelnde Verkehr geschluckt. „Zu spät!"
    hauchte sie, mehr zur Bestätigung ihrer eigenen Gedanken,
    als auf die wiederholte Aufforderung des Beamten: „Please, sprechen Sie!“ Ohne ein weiteres Wort gesagt zu haben, hatte
    Ann Martiever den Hörer wieder auf die Gabel zurückgelegt. Noch während sie langsam und unentschlossen durch das Postgebäude schritt, nahm
    das Schicksal Cecil Rheithways bereits unbarmherzig seinen Lauf. Und wie zur Ironie lagen die Beweise von Cecil Rheithways Verfehlung zerstreut auf dem leeren Sitz neben ihr. Das, was sie im Postgebäude in dem Briefumschlag zu fänden geglaubt hatte, die Bilder nämlich, befand sich nicht in ihrer Hand. Sie hatte weiter nichts bekommen als weißes, unbelichtetes Abzugspapier. Und nicht genug damit!
    Auf einem beiliegenden Kärtchen standen die Worte:
    „Die Dummen werden nicht all! — Beim nächsten Mal betrachten Sie etwas genauer, was Ihnen übergeben wird, Madam!“
    Nun verspottete man sie auch noch. — Das ging über ihre Nerven.
    Brausend jagte ihr Wagen durch die dichtbelebten Straßen. Es konnte nur noch eine Frage des Augenblicks sein, bis ihre überreizten Sinne einmal einen winzigen Moment zu spät reagierten. Was dann geschah, konnte nicht gut gehen.
    Die Folgen ihrer Raserei traten auch schon in den nächsten Sekunden ein.
    Noch lag die breite Fahrbahn der Adelaide Road wie eine gerade Schnur vor ihren verschwommenen, tränen gefüllten Augen. Aber schon tauchte das große
    Straßenkreuz der Primrose-Hill-Road auf. Mit unverminderter Geschwindigkeit schoß die blaue Limousine auf diesen lebhaften Verkehrsknotenpunkt zu.
    Dreihundert Yards trennten sie noch von der von „GRÜN" auf „GELB" wechselnden Verkehrsampel.Weiter braust das Gefährt. — Noch 60 Yards —
    „ROT", Cecil Rheithway sieht es nicht. Wie ein Pfeil schießt der starke Wagen auf die Kreuzung. Da! Räder radieren quietschend auf dem Asphalt. Menschen schreien erschreckt auf und weichen ängstlich zurück. Mit einem ohrenbetäubenden Knall fressen sich Bleche und Eisenverstrebungen ineinander fest ...
    Aus! Für Bruchteile von Sekunden ist alles Leben wie erstarrt.
    Cecil Rheithway fühlt nur noch einen dumpfen Schlag gegen ihren Kopf. Dann breitet sich wie ein dunkles Tuch eine wohltuende Erlösung von allen Qualen in Ihr aus. Nimmt sie gefangen und gibt sie nicht wieder frei.
    Cecil Rheithway erfährt es nicht mehr, daß schon wenige Minuten später beherzte Männer zu ihrem brennenden Wagen Vordringen und sie aus dem Unglücksfahrzeug bergen.
    Sie war bereits tot, bevor sich helfende Hände nach ihr ausstreckten.

Kapitel 2
    Oft entsteht, wenn schwarz und weiß vermischt wird, ein undefinierbares, schmieriges. Grau. — Auch die Seelen vieler Menschen, die in einem Gemisch von Gut und Böse ihr Dasein fristen, sind schmutzig. Da sich in jeder Stadt derartige, gemischte Charaktere finden, ist es für die staatlischen Organe nun ein heikles Problem, Gut und Böse voneinander zu unterscheiden. In diesen Bezirken überwiegt das undefinierbare Grau. —
    In London selbst vollzieht sich diese moralische und soziale Abgrenzung etwa zwischen den Stadtteilen von Shadwell und Wapping.
    Dabei ist es durchaus fraglich, auf welcher der beiden Seiten das kriminelle Element überwiegt.
    — Die Kriminologen werden in dieser Bewertung niemals zu einer völligen Einigung gelangen. Dazu liegen die Gebiete von Shadwell und Wapping allzunahe an der Hafengegend. Hafenviertel aber bringen allerorts vielerlei fragwürdige Gestalten, Eintagsfliegen und Gauner aus aller Herren Länder in das Land. —
    Matt Bacflowers Kellerlokal in der Prusom Street, gleich hinter dem East=Dock, ist zu dieser Stunde keineswegs von fremdländischen „Ladys and Sonnys" bevölkert.
    Im Gegenteil! — Obwohl die Prusom-Street noch innerhalb des Mischgebietes liegt, sind es alles liebe, alte Bekannte des schwammigen Matt Bacflower, die sich hier ihr Stelldichein geben.
    Dafür, daß seine lieben Gäste, — heute sind es neun an der Zahl —, nicht überraschend gestört werden, hat Matt Bacflower gesorgt.
    Zwei baumlange muskulöse Kerls hüten den Eingang seines Lokals und wachen mit Argusaugen darauf, daß kein Unberufener Zutritt zu dieser internen Zusammenkunft erhält. —
    Ihrem gelegentlichen: „Stop, boy !" hat sich während ihrer bisherigen Praxis als Türsteher noch kein Fremder widersetzt.
    Es wäre auch nicht ratsam gewesen, gegen den Willen dieser
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