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Nackte Angst

Nackte Angst

Titel: Nackte Angst
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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und stracks auf ihn zuschreitet.
    Auf seinem Gesicht liegt ein schmieriges Lächeln, als er sich, vor der Dame mit dem beigen Hut und dem gepflegten Äußeren knapp verbeugt. Während seine Worte beinahe freundlich klingen, bohren sich seine stechenden Blicke in das fast träumerisch wirkende Gesicht der Frau.
    „Please, Madam! — Darf ich Ihnen meinen Platz anbieten?"
    Fast alle Herumstehenden konnten die Worte des angeblichen Gents deutlich vernehmen.
    Was sie aber nicht hörten, waren seine folgen* den Worte. Drohend kamen sie zwischen seinen kaum geöffneten Lippen hervor, während er noch gemächlich seinen bekritzelten Bogen auf dem Pult zusammenfaltete.
    „Ich nehme an, Sie haben den vollen Betrag mitgebracht? Wenn nicht . . . Nun, Sie wissen ja, was dann passiert! — Also heraus mit den Moneten! Legen sie den Umschlag mit dem Geld neben meinen Briefbogen. Ich kontrolliere den Betrag dann dort drüben in der Fernsprechzelle. Wenn alles in Ordnung ist, bekommen sie die gewissen Abzüge."
    Ohne ein Wort der Erwiderung kam Cecil Rheithway der Aufforderung des Gangsters nach. Seit dem Betreten des Postgebäudes hätte sie vor Scham in den Boden versunken mögen. Wieder kam ihr dieser Abgrund zu Bewußtsein, den sie durch ihr eigenes Verschulden geschaffen hatte und der ihr früheres Leben von dem Heute auf so böse Weise trennte. Wie sollte das nur enden?
    Cecil Rheithway wußte es nicht. Sie bangte und hoffte nur, es möge heute das letzte Mal sein, daß sie diesen Weg zu ihren Peinigern machen mußte.
    Dreimal hatte sie nun schon, genau wie heute, hier gestanden und stets geglaubt, ihre Erpresser zufriedengestellt zu haben. Aber immer wieder gab man ihr später zu verstehen, daß der Betrag noch nicht ausreiche, um damit ihre Schuld, oder richtiger: das Wissen um ihren ,Fehltritt' aus der Welt zu schaffen.
    Ob sie wollte oder nicht, ihre Angst, die Gauner könnten ihre Drohungen wahrmachen und die noch in ihren Händen befindlichen unzweideutigen Bilder ihrem Mann zukommen lassen, war zu groß. Und deshalb wurde sie immer wieder erneut dazu getrieben, den geforderten Betrag herbeizuschaffen.
    Wie hatte sie sich damals nur so weit vergessen können? Ein Stöhnen entrang sich ihrer Brust. Und während sie den Gangster mit ihrem Geld der Telephonzelle zuschreiten sah, schweiften ihre Gedanken zurück...
    Zurück zu jenem Tag, an dem Ihr Unglück seinen Anfang genommen hatte. Nur dummer Trotz und gekränkte Eitelkeit waren es, mit denen sie sich in ihre heutige Lage hineinlaviert hatte.
    Es war an einem Wochenende gewiesen, an dem sie wieder einmal vergebens auf ihren Mann gewartet hatte.
    Dieser, auf einer eigenen Großbaustelle in der südostenglischen Grafschaft Kent arbeitend, hatte es vorgezogen, auf der Baustelle zu bleiben, um seinen Auftrag termingerecht fertigstellen zu können. Mehrere Wochen schon hatten Cecil und Poul Rheithway seinerzeit getrennt gelebt. Für dieses Wochenende aber hatte er sein Kommen angekündigt. Zusammen wollten sie das ,,weekend" im exklusiven Southend, dem Eldorado vergnügter Menschen, verbringen. Erfreut hatte Gecil Rheithway damals London verlassen, um mit ihrem Mann in Southend
    zusammenzutreffen. Es war sein ausdrücklicher Wunsch gewesen. Doch wer an diesem Tag in Southend nicht eintraf, war Poul Rheithway gewesen. Eine kurze Depesche entschuldigte sein Fernbleiben.
    „Leider verhindert stop. Bei Bauabschnitt II auf Grundwasser gestoßen stop. Bitte laß dir das weekend nicht verderben." Damit also glaubte er,
    I sein Ausbleiben genügend entschuldigt zu haben.
    Zunächst war sie in den vorbestellten Zimmern von Southend in einen Weinkrampf gefallen. Selten hatte sie sich in ihrem Leben so einsam und
    verlassen gefühlt wie nach dieser Nachricht vom Nichtkommen ihres Mannes.
    Dann aber hatte sich «ihr weiblicher Stolz auf gebäumt. „Das Weekend nicht verderben lassen", hatte er telegraphiert? — Weil, er sollte seinen Willen haben! Von Stund an war sie nicht mehr gewillt, zwischen den vier fremden Wänden des Hotels weiter Trübsal zu blasen . .
    Und so war der Stein ins Rollen gekommen.
    Beim Souper war es eine lustige und ausgelassene Gesellschaft gewesen, die es ihr angetan hatte ' und der sie sich in ihrer verletzten Eitelkeit bedenkenlos anschloß.
    Auch später, in der Bar des Hauses, blieb man zusammen. Es wurde viel gelacht und gescherzt. — Aber auch der Teufel Alkohol wurde dabei nicht vergessen. Besonders John Tregony, ein alleinstehender sympathischer
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