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Nachts

Nachts

Titel: Nachts
Autoren: Stephen King
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dem sie ein paarmal ausgegangen war könnte ihr einen Heiratsantrag machen. Als er ihr erklärte, daß Craig Jones ihn als Ersatzmann für den verletzten Akrobaten verpflichtet hatte und sie sich nur seine Rede anhören sollte, entspannte sie sich und hörte sich das ganze Ding alle sechsundzwanzig Minuten mit zunehmendem Interesse an.
    »Scheuen Sie sich nicht, ehrlich zu sein«, fügte er hinzu, noch ehe Naomi mehr als auch nur den Mund aufmachen konnte.
    »Nicht schlecht«, sagte sie. »Ziemlich interessant.«
    »Nein, keine Bange Sie müssen keine Rücksicht auf meine Gefühle nehmen. Spucken Sie’s aus.«
    »Das habeich. Es ist wirklich gut. Außerdem, bis Sie anfangen zu reden sind sie «
    »Ja, sind sie alle blau, ich weiß.« Diese Aussicht hatte Sam anfangs getröstet, aber jetzt enttäuschte sie ihn ein wenig. Als er sie selbst laut vorgelesen hatte, war er auch der Meinung gewesen, daß die Rede ziemlich gut war.
    »Aber da wäre eines«, sagte Naomi nachdenklich.
    »Ja?«
    »Sie ist irgendwie Sie wissen schon trocken.«
    »Oh«, sagte Sam. Er seufzte und rieb sich die Augen. Er war bis ein Uhr in der Nacht aufgeblieben und hatte erst geschrieben und dann das Manuskript überarbeitet.
    »Aber das läßt sich leicht ausmerzen«, beruhigte sie ihn. »Gehen Sie einfach in die Bücherei und holen Sie so ein paar Bücher.«
    Sam verspürte einen plötzlichen stechenden Schmerz im Unterleib und griff nach seiner Rolle Tums. Recherchen für eine dumme Rede im Rotary Club? Bibliotheksrecherchenl Er war noch nie in der Stadtbibliothek von Junction City gewesen und sah keinen Grund, jetzt hinzugehen. Aber Naomi hatte aufmerksam zugehört, Naomi versuchte, ihm zu helfen, und es wäre unhöflich, sich nicht wenigstens anzuhören, was sie zu sagen hatte.
    »Was für Bücher?«
    »Das wissen Sie doch Bücher mit Sachen drin, um Ansprachen aufzulockern. Sie sind wie « Naomi überlegte. »Nun, Sie kennen doch die scharfe Soße, die man im China Light bekommt, wenn man sie will?«
    »Ja «
    »So sind die Bücher. Sie enthalten Witze. Und dann ist da das eine Buch, Best Loved poems of the American People. Wahrscheinlich könnten Sie darin etwas für den Schluß finden. Etwas Aufmunterndes.«
    »In diesem Buch stehen Gedichte über die Bedeutung von Kleinunternehmertum für das amerikanische Leben?« fragte Sam zweifelnd.
    »Wenn Sie Gedichte zitieren, muntert das die Leute auf«, sagte Naomi. »Es interessiert doch niemand, worum es geht, geschweige denn, wofür es ist.«
    »Und sie haben Witzbücher speziell für Ansprachen?« Das konnte Sam fast nicht glauben, obwohl es ihn nicht im geringsten überrascht hätte zu hören, daß die Bibliothek Esoterika wie Bücher über die Reparatur von Kleinmotoren und Perückenpflege führte.
    »Ja.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Als Phil Brakeman für das State House kandidiert hat, mußte ich ständig Reden für ihn tippen«, sagte Naomi. »Er hatte so ein Buch. Ich kann mich nur nicht mehr an den Titel erinnern. Mir fällt nur Die besten Klowitze ein, aber das wäre selbstverständlich nicht das richtige.«
    »Nein«, stimmte Sam zu und dachte, daß ein paar ausgewählte Kleinodien aus Die besten Klowitze ihn wahrscheinlich zum bejubeltsten Erfolgsredner machen würden. Aber er sah ein, worauf Naomi hinauswollte, und der Gedanke gefiel ihm trotz seines Widerwillens, die hiesige Bibliothek zu besuchen, nachdem er sie jahrelang links liegen gelassen hatte. Ein wenig Würze für die olle Rede. Ver
    schönt Ihre Reste, macht Ihr Hackfleisch zur Köstlichkeit. Und schließlich war eine Bibliothek nur eine Bibliothek. Wenn man nicht wußte, wo man fand, was man suchte, mußte man nur die Bi
    bliothekarin fragen, oder nicht? Fragen zu beantworten, gehörte zu ihren Aufgaben, richtig?
    »Sie könnten sie natürlich auch lassen, wie sie ist«, sagte Naomi.
    »Immerhin werden alle stockbetrunken sein.« Sie sah Sam freundlich, aber gestreng an, dann schaute sie auf die Uhr. »Sie haben noch über eine Stunde Zeit möchten Sie ein paar Briefe diktieren?«
    »Nein, ich glaube nicht. Warum tippen Sie mir statt dessen nicht die Rede ab?« Er hatte bereits beschlossen, die Mittagspause in der Bibliothek zu verbringen.
    Kapitel Zwei
    DIE BIBLIOTHEK (I)
    1
    In den Jahren, seit er in Junction City wohnte, war Sam Hunderte male an der Bibliothek vorbeigegangen, aber heute betrachtete er sie zum erstenmal, und er stellte etwas recht Erstaunliches fest: Er haßte das Gebäude schon beim Ansehen.
    Die
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