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Nachtkalt: Psychothriller (German Edition)

Nachtkalt: Psychothriller (German Edition)

Titel: Nachtkalt: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Mark Franley
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sprachlos, doch er vermochte nicht, die Situation richtig einzuschätzen. War dieser Mann ein Student oder ein Angehöriger? Einem Studenten würde er den Marsch blasen, war es allerdings ein Angehöriger, musste er wenigstens etwas Einfühlungsvermögen zeigen. Da aber kein Angehöriger wissen konnte, dass die Tote hier lag, denn noch nicht einmal die Polizei wusste, wer sie eigentlich war, wiederholte er seine Frage in deutlich schärferem Ton.
    Endlich drehte sich der Mann um, sah verlegen auf den Boden und stammelte: »Bitte ... es tut mir leid ...«
    Auch jetzt, wo er das Gesicht seines Gegenübers sah, fiel es Dr. Gruber schwer den Mann einzuschätzen. Einerseits wirkte dieser ehrlich verlegen, andererseits zeigten seine Gesichtszüge auch noch etwas anderes, Undefinierbares.
    »Also«, wiederholte der Arzt seine Frage zum dritten Mal, »was machen Sie hier? Da draußen hängt ein großes Schild mit dem Aufdruck Unbefugten ist der Zutritt strengstens untersagt und das hängt dort nicht zum Spaß!«
    »Ja nun, es ist so ...«, stammelte der andere erneut, »... ich arbeite drüben in der Verwaltung als Aushilfe und soll Ihnen diese Studentenakten vorbeibringen.« Mit diesen Worten zeigte er auf einen kleinen Stapel brauner Aktenumschläge, die er sich unter den Arm geklemmt hatte. »Und als ich an dieser Tür vorbeilief, sah ich die Tote hier liegen und konnte irgendwie nicht anders, als einen Blick darauf zu werfen«, nun wurden seine Worte etwas sicherer, »es ist nämlich so: Ich schreibe in meiner Freizeit Krimis und um es besonders realistisch beschreiben zu können, ist es natürlich gut, die Dinge mit eigenen Augen gesehen zu haben.« Nun folgte eine Pause, bei der sein Blick wieder zum Boden wanderte, dann fragte er kleinlaut: »Bekomme ich jetzt Ärger?«
    Dr. Gruber dachte eine Sekunde über das Gehörte nach. Wenn es gelogen war, dann doch recht kreativ und der junge Mann wirkte tatsächlich ziemlich verängstigt, außerdem würden in wenigen Minuten seine Studenten kommen. Er blickte dem Mann noch einmal in die Augen, dann sagte er in wieder schärferem Ton: »Wenn ich Sie hier drinnen noch einmal ohne Erlaubnis erwische, kommen Sie mir nicht so einfach davon! Jetzt geben Sie mir diese Akten und dann gehen Sie ...«, nun stockte Dr. Gruber, »...was soll ich überhaupt mit diesen Unterlagen, die habe ich nicht angefordert?«
    Der Mann war sichtbar erleichtert, zuckte aber mit den Schultern: »Keine Ahnung. Eine der Sekretärinnen, ich glaube, Frau Weisman hat sie mir in die Hand gedrückt und gesagt, ich soll sie Ihnen geben.«
    Dr. Gruber beließ es dabei, nahm ihm den Stapel aus der Hand und wies auf die Tür, durch die der Mann den Raum ohne ein weiteres Wort verließ. Der Arzt sah ihm noch hinterher, bis ihm einfiel: »Wie heißen Sie eigentlich?« Doch der Mann zeigte keine Reaktion, ging durch die Milchglastüren am Ende des Ganges und war endgültig verschwunden.
    Unschlüssig, was er nun tun sollte, schlug Dr. Gruber die oberste Akte auf und blickte auf das Foto einer Studentin, die sich am Vortag noch kurzfristig zu der heutigen Obduktion angemeldet hatte. Doch weiter, als den Namen Anja Lange zu lesen, kam er nicht, da sich die Glastür erneut öffnete und die ersten Studenten lautstark diskutierend auf ihn zukamen.
     
    Nach einem langen abendlichen Telefonat mit Ute, bei dem sie sich sogar getraut hatte, ihr von Florian zu erzählen, war Anjas Stimmung heute deutlich besser. Hinzu kam, dass nach der Obduktion das Wochenende vor der Tür stand und sie insgeheim hoffte, Florian über den Weg zu laufen. Ute hatte ungewohnt gönnerhaft reagiert, sodass ihr auch von dieser Seite kein Störfeuer drohte. Abgesehen von dieser Obduktion stand zwei potentiell schönen Tagen nichts im Weg.
    Punkt 10 Uhr versammelte sich die ganze Gruppe in dem Obduktionssaal und alle blickten nervös auf Dr. Gruber, hinter dem die noch abgedeckte Leiche lag.
    Anja stellte gerade mit einem Schmunzeln fest, dass sich Utes Unruhe weniger auf das Bevorstehende bezog, sondern wohl eher daher kam, dass sie so dicht neben René stand, als die Schiebetür erneut geöffnet wurde und Florian, eine Entschuldigung stammelnd, den Raum betrat. Obwohl sich alle sieben Studenten gleichzeitig zu ihm umdrehten, galt sein Blick einzig Anja, die diesen mit einem schüchternen Lächeln erwiderte.
    Als endlich wieder etwas Ruhe eingekehrt war, begann Dr. Gruber mit gelassener Stimme: »Wenn ich richtig gezählt habe, sollten wir nun
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