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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren
Autoren: Alison Sinclair
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Gold. Allerdings«, fügte sie hinzu, »ist der Betrag natürlich völlig belanglos. Jeder, der den Fluch brechen könnte, würde sowohl die Herrschaft des Prinzen als auch das Erzherzogtum und alle Inselreiche für sich beanspruchen und außerdem die ganze Welt aus dem Gleichgewicht bringen.«
    »Glaubst du, dass es überhaupt möglich ist?«
    »Wir haben es jetzt schon fast tausend Jahre lang versucht, und wir verstehen den Fluch immer noch nicht ganz. Und ohne ihn verstanden zu haben, gibt es keinerlei Hoffnung, ihn rückgängig zu machen. Doch selbst wenn das Rätsel gelöst wäre, bedürfte es zur Lösung des Bannes der vereinten Macht einer Imogene samt ihrer Gefolgschaft, der Macht von vierundzwanzig Magiern des achten Grades, die alle willig sein müssten, sich zu opfern. Diejenigen, die damals mit dem Leben davongekommen waren, hat es ruiniert, denn sie hatten in ihrem Krieg alles verloren, und für keinen von ihnen schien das Leben noch länger lebenswert zu sein. Etwas rückgängig zu machen, das mit solch starken Emotionen verbunden ist, bedarf einer ebenso großen Anzahl Magier, die über ebenso große Macht verfügen und von ebenso großem Eifer beseelt sind.« Er hörte, wie sie sich die Hände rieb. »Es war eine leidenschaftlichere, unbarmherzigere Zeit. Wir hingegen sind zivilisiert.« Wie immer strotzte ihre Stimme nur so vor Sarkasmus.
    »Ich habe den Eindruck«, bemerkte er, »dass du der Ansicht bist, die Aufhebung des Fluches würde uns nach all diesen Jahrhunderten nicht sonderlich gut bekommen.«
    Sie schnaubte verächtlich. Seine Bemerkung war eine altbekannte Diskussionseröffnung. Sie stritten über alle möglichen Hypothesen und wechselten dabei so oft ihre Positionen wie in einer Quadrille, wobei er im Allgemeinen zum Optimismus und sie eher zum Pessimismus tendierte. »Bal, es fängt doch schon damit an, dass ihr einen Erzherzog habt und wir einen Prinzen. Letztendlich könnte schließlich nur einer von beiden regieren. Ihr erwartet von euren Frauen, dass sie eine hübsche Zierde sind, und bestraft sie, wenn sie diesem Wunsch nicht entsprechen. Der erste Galan, der auf die Idee käme, eine lichtgeborene Frau sei genauso leicht zu haben wie eine gemeine Hure, würde durch die Spitze ihres Stiletts umgehend eines Besseren belehrt werden. Ihr verleumdet die Magie als weibliche Irrationalität und seid mittlerweile sogar nach Kräften bemüht, sie ausnahmslos zu unterdrücken. Wir hingegen bilden unsere Magier aus, sodass sie ihr Potenzial voll ausschöpfen können, und erachten einen unausgebildeten Magier als eine Gefahr, die aufgehalten werden muss. Soll ich wirklich fortfahren? Wir leben besser getrennt voneinander. Schick diese Frau fort, du schuldest ihr nichts.« Ohne ein weiteres Wort beendete sie ihre Übungen und ging hinaus.
    Er seufzte. Hier ging es nicht um Schulden. Es ging um Tercelles ungeborenes Kind. Auf der Suche nach Ablenkung trat er ans Bücherregal. Seine Hand ruhte kurz auf einem Stapel von Protokollen des Interkalaren Konzils für rassenübergreifende Angelegenheiten. Sowohl Balthasar als auch sein Vater waren für mehrere Amtszeiten in diesen gemischten Rat berufen worden, der – durch eine Papierwand hindurch – die zwischen den Nachtgeborenen und den Lichtgeborenen in Minhorne sich ergebenden Konflikte friedlich beizulegen versuchte. Die Streitfälle betrafen alles Mögliche – Bebauungspläne, Fragen der Straßenerhaltung bis hin zu dem Wunsch der Lichtgeborenen, die nachtgeborenen Magier ihren Regeln zu unterwerfen. Seine nächste Amtszeit stand erst wieder im Herbst an, doch zwischen seinen Amtsperioden hielt er sich stets durch die gewissenhafte Lektüre der Protokolle auf dem Laufenden. Dank des gegenwärtigen Ratsvorsitzenden fielen die Protokolle allerdings ebenso langweilig aus, wie die behandelten Probleme wichtig waren. Trotz seines schlechten Gewissens ließ Balthasar den Stapel unberührt und zog sich stattdessen einen der Lieblingsreiseberichte seines Vaters aus dem Regal.
    Er war gerade in die zweihundert Jahre alte Dokumentation einer Reise nach Pelalethea vertieft, der größten unterirdischen Stadt der Nachtgeborenen, die gut zwei beschwerliche Wochen Reisezeit entfernt in den östlichen Bergen lag, als Tercelle nach ihm rief.
    Sein diagnostisches Gespür hatte ihn nicht im Stich gelassen. Er fand sie vor, wie er es bereits erwartet hatte, zusammengekrümmt und überwältigt von der grausamen Dreistigkeit des Schmerzes. Er rannte zurück in
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