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Nachtflug

Nachtflug

Titel: Nachtflug
Autoren: Antoine de Saint-Exupéry
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Dauerhafteres, das es zu bewahren gilt; vielleicht ist es dieses Teil des Menschen, um dessentwillen ich arbeite.« Zweifeln wir nicht daran.
    In einer Zeit, in der der Begriff des Heldischen mehr und mehr aus der Armee verschwindet, weil sich in den Kriegen von morgen, deren Schrecknisse uns die Chemiker vorausmalen, für Mannesmut kaum noch Verwendung finden dürfte - ist in dieser Zeit die Luftfahrt nicht dasjenige Bereich, wo wir den Mut am bewundernswertesten und nutzbringendsten sich entfalten sehen? Was an sich Tollkühnheit wäre, wird hier zur einfachen Dienstpflicht. Der Pilot, der unablässig sein Leben aufs Spiel setzt, hat einiges Anrecht darauf, die Vorstellung, die wir uns für gewöhnlich von ›Mut‹ machen, zu belächeln. Wird Saint-Exupery mir erlauben, einen schon lange zurückliegenden Brief von ihm zu zitieren? Er stammt aus der Zeit, in der er als Flieger in Mauretanien Dienst tat, um die Linie Casablanca-Dakar zu sichern: »Ich weiß nicht, wann ich zurückkommen werde, ich habe so viel zu tun seit einigen Monaten: nach vermißten Kameraden suchen, Flugzeuge wieder flottmachen, die in aufständischem Gebiet notlanden mußten, und ein paar Kurierflüge über Dakar. Ich habe glücklich eine kleine Heldentat vollbracht: zwei Tage und zwei Nächte unterwegs, mit elf Mauren und einem Mechaniker an Bord, um ein Flugzeug zu bergen. Allerlei heftige Schießererei. Zum erstenmal hab’ ich Kugeln mir übern Kopf pfeifen hören. Jetzt weiß ich wenigstens endlich, wie so etwas auf mich wirkt: ich war viel ruhiger als die Mauren. Aber ich habe auch begriffen, was mich immer verwundert hatte: weshalb Plato (oder Aristoteles?) dem Mut die niedrigste Rangstufe unter den Tugenden zuweist. Nicht grade sehr edle Gefühle, aus denen er sich zusammensetzt: ein bißchen Wut, ein bißchen Eitelkeit, ein gut Teil Trotz und ganz gewöhnliche Sportlust. Vor allem auch ein gesteigertes Gefühl physischer Kraft, obwohl die eigentlich nichts dabei zu tun hat. Man kreuzt die Arme über dem offenen Hemd und atmet tief. Alles in allem eher ein Wohlgefühl. Wenn es bei Nacht passiert, mischt sich darein das Gefühl, eine ungeheure Dummheit begangen zu haben. Nie wieder werd’ ich einen Menschen bewundern, der nichts als mutig ist.«
    Als Nachwort dazu könnte ich eine Stelle aus dem Buch von Quinton 1 zitieren (dem ich übrigens durchaus nicht immer beistimme): »Man verbirgt seinen Mut ebenso wie seine Liebe«, oder noch besser: »Die Mutigen verhehlen ihre Taten wie die Rechtschaffenen ihre Almosen. Sie verheimlichen sie oder schützen andere Motive vor.« Alles, was Saint-Exupery erzählt, trägt den Stempel des Selbsterlebten. Dies: daß er selber mehr als einmal der Gefahr die Stirn geboten hat, gibt dem Buche den Reiz des Echten und Unnachahmlichen. Lediglich der Phantasie entsprungene Geschichten von Krieg und Abenteuern gibt es in großer Zahl: sie mögen zuweilen von einer gewissen Einfühlungskraft des Verfassers zeugen; den wirklichen Abenteurern und Kämpfern werden sie jedoch meist nur ein Lächeln abnötigen. Die vorliegende Erzählung, die ich als literarisches Werk bewundere, hat zugleich den Wert eines Dokuments; und diese beiden so unverhoffi vereinigten Eigenschaften geben diesem ›Nachtflug‹ seine ungewöhnliche Bedeutung.
    Andre Gide

NACHTFLUG
I
    Die Höhenzüge, tief unter dem Flugzeug, gruben schon ihre Schattenfurchen ins Gold des Abends. Aber die Ebenen glommen noch in zähem Licht: sie können sich nie entschließen dortzulande, ihr Gold herzugeben, ebenso wie sie nach dem Winter nie von ihrem Schnee lassen wollen. 
    Und dem Piloten Fabien, der das Postflugzeug von Patagonien vom äußersten Süden her nach Buenos Aires zurückführte, war es zumute, als steuerte er in den nahenden Abend ein wie in die Gewässer eines Hafens: Stille weithin, kaum gefurcht von ein paar leichten, regungslosen Wolken. Glückliche Geborgenheit einer riesigen Reede. 
    Oder auch, als schlenderte er langsam durch diesen Frieden dahin, fast wie ein Hirte. Die Hirten Patagoniens ziehen gemächlich von Herde zu Herde: er zog von Stadt zu Stadt, er war der Hirt der kleinen Städte. Alle zwei Stunden traf er auf welche, zur Tränke gedrängt ans Ufer der Flüsse oder weidend auf ihrer Ebene. 
    Manchmal, nach hundert Kilometern Steppe, unbehauster als das Meer, überflog er eine verlorene Farm, die dann ihre Fracht Menschenleben nach rückwärts durch die Wogen der Prärie davonzutragen schien wie eine Arche, die er
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