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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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an silbernem Kettchen ein Bild mit sich trug.
    »Und was soll ich tun, Harold?«
    »Nichts. Deswegen komme ich. Ihr braucht nichts zu unternehmen. Ich gehe nicht zum Tanz und nicht zum Trinken. Ich bleibe auf unserer Ranch, dort wird er sich nicht wieder sehen lassen. Oder ich besuche die Eltern von Queenie. Sie kommt jetzt in den Ferien heim.«
    »Und bei den Eltern von Queenie stoßt ihr dann zusammen?«
    »Kaum. Der Vater würde ihn nicht in das Haus lassen.«
    »Woher kennt ihr drei euch?«
    »Wir waren einmal in der gleichen Schule… damals war Queenie noch ein kleines Mädchen, ja.«
    »Lernt sie nicht jetzt auf der Kunstschule?«
    »Ganz recht. Aber in den Ferien kommt sie heim. Nächstes Jahr macht sie das Baccalaureat. Endlich.« Das ›Endlich‹ klang unzufrieden.
    »Ist es nicht gut, daß sie so lange lernt?«
    »Es kommt darauf an, was. Sie hätte bei meinen Eltern lernen können, was eine Frau auf einer Ranch wissen und können muß.«
    Das verborgene Lächeln legte sich um die Mundwinkel des Blinden. »Sie ist auf der Ranch des Vaters aufgewachsen. Es wird nicht schwerhalten, daß sie sich einmal auf einer größeren zurechtfindet.«
    »Das denke ich mir eben auch. Aber man hört, daß die auf der Kunstschule…«
    »Was?«
    »Daß sie dort nicht gut erzogen werden können. Soviel Künstler auf einem Haufen, Chief Crazy Eagle, wie soll das gut gehen? Das ganze Jahr über hat sie mir nie geschrieben. In der Schule herrscht keine Ordnung. Wie soll es Ordnung geben, wenn Dakota und Siksikau und Hopi und Navajo und Apatschi und Pima, und wer weiß was noch alles, in einem Haus durcheinanderwirbeln? Da gibt es keine anständigen Grundsätze.« Harold hatte immer schneller und eifriger gesprochen. »Also ich bin gekommen, um Euch zu bitten, Chief Crazy Eagle…«
    »Ich bin aus Fleisch und Blut, und ich bin kein Chief. Ich kann auch nicht als Schutzgeist über Queenie schweben. Sie muß sich schon selbst behaupten.«
    »Schließlich ist sie auch nur ein Mädchen. Könnt Ihr nicht mit dem Vater reden, daß er Queenie nun hierbehält, und wir machen Hochzeit? Auf Euch würde der Vater hören.«
    »Nein, Harold, ich rede nicht mit ihm. Ich bin nicht dafür, daß ein Indianermädchen ein Jahr vor dem Baccalaureat von der Schule abgeht. Queenies Name ist bis zu mir gedrungen, weil sie eine sehr gute Schülerin und eine begabte junge Künstlerin ist. Wir können stolz auf sie sein. Sie soll ein Vorbild für die anderen Indianermädchen werden.«
    »Es kommt ja immer darauf an, worin man Vorbild ist.«
    »Traust du ihr so wenig?«
    »Den jungen Burschen traue ich nicht… überhaupt… hat sie sich auch einmal…« Harold brach ab und spuckte aus.
    »Gespuckt wird hier nicht, Harold Booth. Das kannst du auf deiner Ranch machen, aber nicht hier auf dem Gericht.«
    »Entschuldigung«, murmelte der Bursche. »Ich meine aber, es wird für mich selbst jetzt Zeit zu heiraten. Ich bin fünfundzwanzig. Es kommt ja nicht nur auf das Mädchen an und was die will. Ich kann auch andre haben. Aber die Arbeit auf der Ranch wird zuviel für uns, und der Vater drängt.«
    »Das ist deine Sache, Harold Booth. Wollt ihr euch nicht jemanden zur Hilfe nehmen? Viele suchen Arbeit.«
    »Fremde Hände können wir nicht bezahlen; das trägt die Ranch auf dem schlechten Boden hier nicht. Die Familie muß arbeiten. Aber das ist meine Sache, Chief Crazy Eagle, Ihr habt recht.«
    Harold sprach wieder ruhig und zuversichtlich. »Queenie kommt heim, dann wird man sehen, und es wird sich alles regeln. Sie kann mich hören, den Vater hören und nachdenken. – Ich danke, Chief Crazy Eagle.«
    »Guten Tag, Harold.«
    Als Harold Booth das Zimmer verlassen hatte, ließ sich der blinde Richter das Gespräch noch einmal durch den Kopf gehen.
    »Runzelmann«, fragte er schließlich, »rechnet Harold immer so nüchtern?«
    »Er hat noch nie gerechnet, Ed. Seine Mutter hat etwas Geld mit in die Ehe gebracht; die Booths haben eine große Ranch gepachtet. Harold ist der Jüngste und der Liebling der Eltern. Er war einer der besten Schüler, die Lehrer mochten ihn gut leiden, und er ist ein fröhlicher Cowboy und ein ansehnlicher Bursche geworden. Er ist daran gewöhnt, daß ihm nichts im Leben schiefgeht. Die Mädchen haben ihn gern.«
    »Queenie ist schon lange seine Liebe?«
    »Man sagt es.«
    »Was hat er unter seiner Weste gesucht?«
    »Er trägt ein Medaillon an einem silbernen Kettchen. Vielleicht ihr Bild.«
    »Was gefällt dir denn nicht an
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