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Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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Louisiana niemals verurteilt werden.«
    Er saugte an einem Zahn, drückte seine Zigarette auf der Kappe seines Arbeitsstiefels aus, schälte das Papier von der Kippe und ließ es vom Wind verwehen.
    »Ich bin’s nicht gewesen«, sagte er.
    »Ich kann Ihnen nicht helfen.«
    Er richtete sich mit knackenden Knien auf und ging zum Zellenblock zurück. Die Haare an seinen Armen schimmerten in der untergehenden Sonne silbern wie bei einem alten Gorilla.

2
    Die überfluteten Weiden und Zypressen wirkten in dem frühmorgendlichen Dunst, der über dem Henderson-Sumpf hing, wie graugrüne Kleckse. Meine Adoptivtochter Alafair saß am Bug, als ich das Außenborderboot zwischen zwei schwimmenden Inseln aus Wasserhyazinthen hindurchsteuerte und bei der Einfahrt in die Bucht wieder Gas gab. Die Luft war feucht und kühl und roch nach Sac-a-lait, Süßwasserbarschen, die sich dicht unter der Wasseroberfläche tummelten, und in der diesigen Luft sah man die Feuersäulen der Bohrinseln, auf denen Erdgas abgefackelt wurde. Als Alafair das Gesicht in den Wind wandte, wurden ihre langen schwarzen Indianerhaare wie ein dickes Tau nach hinten geweht. Sie war jetzt vierzehn, sah aber älter aus, und häufig drehten sich erwachsene Männer im Vorbeigehen nach ihr um.
    Wir fuhren durch eine lang gestreckte, seichte Bucht voller Baumstümpfe und aufgegebener Ölplattformen. Dann deutete Alafair auf eine Reihe Holzpfähle, die schwärzlich im Dunst schimmerten. Ich stellte den Motor ab und ließ uns vom Kielwasser weitertreiben, bis sich der Anker, ein dreißig Zentimeter langes Stück Bahnschiene, das Alafair über die Bordwand gleiten ließ, im Schlick festsetzte und das Boot herumzog. Die Elritzen wimmelten unter meinen Händen, als ich in den kalten Wassereimer griff und ein paar Köderfische herausholte.
    »Riechst du die Sac-a-lait?«, fragte sie. »Die müssen sich hier zu tausenden herumtreiben.«
    »Bestimmt.«
    »Hier ist die beste Stelle in der ganzen Bucht, stimmt’s?«
    »Ich kenne keine bessere«, sagte ich und reichte ihr ein Sandwich, nachdem sie ihren Angelhaken zwischen den Pfählen ausgeworfen hatte.
    Es war neun Jahre her, seit ich sie aus dem Wrack eines untergegangenen Flugzeugs gezogen hatte, das Kriegsflüchtlinge aus El Salvador außer Landes befördert hatte. Im Traum sah ich manchmal noch das Bild vor mir, wie ich sie um Atem ringend in der auf dem Kopf stehenden Kabine gefunden hatte, das Gesicht wie ein Guppy nach oben, in die wabernde, allmählich schwindende Luftblase über ihrem Kopf gekehrt, während sie über dem Leib ihrer ertrunkenen Mutter verzweifelt mit den Beinen im Wasser ruderte.
    Doch die Zeit heilt manche Wunden, und heute saß ich nicht mehr grübelnd am Wasser und stellte mir vor, dass dort unten die Welt der Toten war. Die Geister der Dorfbewohner mit den vom Druck der Sprenggranaten weit aufgerissenen Mündern flüsterten mir nicht mehr aus den braunen Fluten des Mekong zu, und auch meine ermordete Frau Annie, die früher, wenn es regnete, von ihrem neuen Zuhause tief unter dem Meer zu mir gesprochen hatte, suchte mich nicht mehr auf.
    Wasser, das war jetzt einfach das weite, überflutete Schwemmland des Atchafalaya-Beckens in Südlouisiana, wo es nach Humus und dem Rauch der Holzfeuer roch, wo die Wildenten scharenweise über den Weiden aufstiegen und in langen schwarzen Ketten vor der Sonne vorbeiflogen, die so gelb wie ein Eidotter war.
    »Hast du wirklich diesen Aaron Crown in Angola aufgesucht, Dave?«, fragte Alafair.
    »Na klar.«
    »Mein Lehrer hat gesagt, er ist ein Rassist. Er hat oben in Baton Rouge einen Schwarzen umgebracht.«
    »Aaron Crown ist ungehobelt und äußerlich abstoßend. Ein Mensch, den niemand leiden kann. Aber ich bin mir nicht sicher, ob er ein Mörder ist, Alf.«
    »Warum nicht?«
    »Ich wünschte, ich wüsste es.«
    Eine Antwort, die ebenso unklar wie beunruhigend war.
    Warum? Weil Aaron Crown nicht ins übliche Schema passte. Er war kein Rassist, jedenfalls kein eingefleischter, so wie die meisten, die sich dazu bekannten. Politisch engagiert war er auch nicht, meines Wissens zumindest nicht. Welche Beweggründe sollte er also haben, fragte ich mich. Bei Mordfällen ging es fast immer um Geld, Sex oder Macht. Was hatte Aaron Crown im Sinn gehabt?
    »Worüber denkst du nach, Dave?«, fragte Alafair.
    »Vor vielen Jahren, als ich noch ein junger Cop in New Orleans war, ist Aaron Crown zu unserem Haus gekommen, wo ich damals gerade meinen Urlaub verbracht habe, und
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