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Nacht ohne Schatten

Nacht ohne Schatten

Titel: Nacht ohne Schatten
Autoren: Gisa Klönne
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Pferdeschwanz tritt auf Judith zu. »Ich hab unserem Zeugen vorhin Kaffee und Brötchen organisiert, da wurde er plötzlich gesprächig.«
    Â»Und?«
    Â»Er behauptet auf einmal, er hätte da drüben jemanden gesehen. Möglicherweise den Täter.«
    * * *
    Die Umgebung der S-Bahn-Haltestelle Gewerbepark könnte locker jeden Wettbewerb in Sachen hässlichster Flecken von Köln gewinnen. Es gibt weder einen Park noch besonders viel boomendes Gewerbe, auch wenn die Stadtoberen fest daran glauben, dass sich das in den nächsten Jahren ändern wird. Ein paar der alten Sozialwohnungsblocks stehen schon leer, in anderen harren die verbliebenen Mieter noch aus, aber normalerweise dürfte hier nachts um drei absolut tote Hose herrschen. Jetzt jedoch ist die Action im vollen Gange. Streifenwagen, Spurensicherung, Karl-Heinz Müllers Fiat Spider und ein Einsatzfahrzeug der Bahn parken kreuz und quer vor der Bahnunterführung, sogar zwei Pressegeier drängeln sich am Absperrband und brüllen Manni ihre Fragen entgegen. Ohne sie eines Blickes zu würdigen, hält er auf die Treppe zu. Der Anruf ist im allerallerungünstigsten Moment gekommen, absolut
worst case,
anders kann man das nicht sagen. Und als Krönung des Ganzen schifft es aus vollen Kübeln.
    Auf dem Bahnsteig läuft ihm Kollegin Krieger entgegen, einen dampfenden Pappbecher in der Rechten, eine ihrer stinkenden Selbstgedrehten im Mundwinkel. Ihr Ledermantel ist dunkel vor Nässe, das Haar klebt an ihrem Kopf, was ihr den Charme einer ertrinkenden Katze verleiht – eine Tatsache, die sie nicht weiter zu stören scheint.
    Â»Das Opfer heißt Wolfgang Berger, 43 Jahre alt, S-Bahn-Fahrer«, referiert sie, ohne Manni Zeit für eine Begrüßung zu lassen. »Er wurde rücklings erstochen. Tatzeit: während seiner letzten Pause, zwischen 1:35 Uhr und 1:55 Uhr. Wir haben sogar einen Zeugen.« Sie steckt ihre Zigarette wieder in den Mund und kneift die Augen zusammen. »Ein Fahrgast, der hier gewartet hat. Angetrunken, aber immerhin. Er ist rüberge- laufen, als die S-Bahn zur fahrplanmäßigen Zeit nicht einfuhr.« Sie wischt die freie Hand an ihren Jeans trocken und klemmt sich die Zigarette zwischen die Finger. »Er hat da drüben jemanden gesehen, bevor er quasi über den Toten gestolpert ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach unseren Täter. ›Und, wie sieht er aus?‹, frag ich ihn. Weißt du, was er geantwortet hat?«
    Manni schüttelt den Kopf. »Wie Michael Jackson?«
    Â»â€ºWie ein Penner‹«, faucht die Krieger. »›Beschreiben Sie ihn‹, sage ich.«
    Â»Und?«
    Â»Er habe ›irgendwie streng gerochen‹, hat er ausgesagt. ›Und sonst‹, frage ich, denn der Geruch könnte sehr gut auch vom Opfer stammen. Er sei normal groß gewesen, habe wahrscheinlich einen Mantel getragen und eventuell halblange Haare gehabt. Und das war’s dann schon. Es sei zu dunkel gewesen. Es sei zu schnell gegangen. Nicht mal auf eine ungefähre Größenbeschreibung will er sich festlegen. Er habe einen Schatten gesehen, den er für einen Penner hielt, und gleich darauf das Opfer. Wir sollten dankbar sein, dass er uns überhaupt verständigt habe. Ende, aus.«
    Â»Vielleicht lügt er und ist in Wirklichkeit unser Täter. Der Rächer aller frustrierten Fahrgäste.«
    Â»Sehr witzig. Das ist das reinste Blutbad da drüben, seine Kleidung wäre voll davon.«
    Â»Wo ist er?«
    Â»Ich hab ihn heimbringen lassen.«
    Manni zieht die Augenbrauen hoch.
    Â»Ausführliche Vernehmung später im Präsidium, wenn er hoffentlich wieder nüchtern ist.« Judith Krieger zerstampft ihre Zigarettenkippe, sehr viel nachdrücklicher, als es nötig wäre.
    Â»Keine erkennungsdienstliche Behandlung?«
    Â»Wir überprüfen seine Kleidung und die Schuhe, wegen der Abdrücke am Tatort. Wird aber nicht viel bringen. Mistregen.« Sie schüttelt sich, dass die Tropfen fliegen. Manni wirft sich ein Fisherman’s in den Mund, hält ihr die Tüte hin, doch wie zu erwarten, lehnt sie ab.
    Â»Wir haben jetzt einen Kollegen erreicht, der ganz gut mit Berger bekannt ist.« Ein fettbäuchiger Glatzkopf in dunkelblauem Bahn-Ornat watschelt auf sie zu. »Berger war Single. Er lebte allein. Die nächsten Verwandten sind seine Eltern in Paderborn. Berger hatte kaum Kontakt zu ihnen. Die
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