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Nacht Der Begierde

Nacht Der Begierde

Titel: Nacht Der Begierde
Autoren: Charlene Teglia
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schien dann mein Leben nur aus Übergangslösungen zu bestehen?
    «Ich bin jung», sprach ich mit mir selbst. «In meinem Alter lässt man sich noch nicht nieder. Man kleidet sichund lebt eben so, wie es möglich ist, wenn man während der Collegezeit seine Seele für Studiengebühren-Darlehen verpfändet hat.»
    Bert und Ernie zogen zustimmend ihre Kreise. Fische sind wirklich angenehme Mitbewohner. Sie hören einem zu und widersprechen nie.
    Das rote Licht an meinem Anrufbeantworter blinkte, also drückte ich auf den Abspielknopf.
    «Hi, ich bin’s, Michelle. Von deiner Post ist was bei mir gelandet. Ich behalte den Brief als Geisel, bis du mich zurückgerufen hast. Ich hab dich seit deinem Geburtstag nicht mehr gesehen.» Es folgte eine kurze Pause auf dem Band, bevor sie fortfuhr: «Ich hoffe, dass es dir gutgeht. Es klingt, als ob deine Albträume schlimmer würden.»
    Die Stimme meiner Freundin sorgte dafür, dass sich mein Magen zusammenzog. In der letzten Zeit war ich allen aus dem Weg gegangen. Das hatte Michelle offenbar bemerkt. Außerdem lebte sie in der Wohnung genau unter mir. Wenn sie nachts laute Geräusche hörte, lag es also nicht an meiner Einbildung. Die schrecklichen Träume, die mich seit meiner Jugend verfolgten, kamen inzwischen jede Nacht.
    Seit meinem einundzwanzigsten Geburtstag vor zwei Wochen schien einfach alles irgendwie aus dem Ruder zu laufen. Mein Stoffwechsel spielte völlig verrückt. Töne, Geschmack und Gerüche, auf die ich schon immer sehr empfindlich reagierte, erschienen mir plötzlich unerträglich. Jede Kleinigkeit regte mich auf. Aber was sollte ich ihr sagen? Vielleicht:
«Tut mir leid, Michelle, aber wenn ich dein Parfum rieche, ersticke ich fast, selbst wenn ich ein Stockwerk von dir entfernt bin?»
    Ich dachte wieder an Zach und seine merkwürdige Frage.
Träumst du manchmal von uns?
Es wäre gut, eine Erklärung für meine unruhigen Nächte zu finden und für die blauen Flecken, mit denen ich regelmäßig aufwachte,aber da ich ihm gerade erst begegnet war, konnte Zach ja wohl kaum etwas damit zu tun haben.
    In jedem Fall fragte ich mich, was er mit
«uns»
gemeint haben könnte. Nicht das Trio, das er auf dem Parkplatz in die Flucht geschlagen hatte. Aber irgendeine Gruppe musste es geben. Es war also nicht nur Zach, der mich in drei Tagen erwartete. Aber dass dieses
uns
die Familie beschrieb, von der ich so wenig wusste, wäre bestimmt zu viel erhofft. Eine vage Sehnsucht blieb trotzdem, im Zaum gehalten von einer gehörigen Portion Vorsicht.
    Ich wusste überhaupt nichts über meine Herkunft. Ich wusste so gut wie gar nichts über Zach. Und angesichts der Umstände, unter denen wir uns kennengelernt hatten, und angesichts der Dinge, die er geäußert hatte, gab es für mich jede Menge Gründe, vorsichtig zu sein, wenn ich zu ihm ginge.
    Wobei ich ja noch nicht mal eine Ahnung davon hatte, was er dachte, wie ich ihn finden sollte, selbst wenn ich es wollte. Am Ort meiner Träume? Das ich nicht lache. Das konnte doch nur ein blöder Spruch sein. Außer, dass er ziemlich ernst gewirkt hatte, als er das sagte.
    Ich war es leid, dass meine Gedanken wie ein Hamster im Rad kreisten, und befahl mir, Zach zu vergessen. Denn selbst wenn er hier auftauchen würde, um mich zu holen, würde das nicht heute passieren. Es war ja noch nicht Vollmond.
     
    Als ich aufwachte, fielen mir drei Dinge auf. Ich spürte einen kalten Luftzug von einem geöffneten Fenster, merkte, dass es mir an verschiedenen Stellen ziemlich wehtat und dass ein mir unbekannter Mann mich von hinten umklammert hielt. Seine Hände hielten meine überkreuzten Handgelenke auf meiner Brust fest, und seine Beine hielten meine wie in einem Schraubstock fest.
    Mir stellten sich die Nackenhaare auf, und Gänsehautzog über meinen Körper. Mein erster Verdacht galt Zach, aber der Mann hinter mir passte nicht zu der Erinnerung, die ich von seinem Körperbau und seinem Geruch hatte. Ich schloss die Augen und betete leise, dass es weder Miguel noch Wilson war.
    «Hallo», sagte ich zögerlich. Meine Stimme klang so heiser, als ob ich vorher laut geschrien hätte. «Falls Sie hier sind, um mich auszurauben, ich bin pleite und besitze auch keine Drogen.»
    «Ich bin nicht hier, um dich zu bestehlen. Ich bin hier, um auf dich aufzupassen», meinte der Mann hinter mir. Es klang, als ob ihn das ziemlich sauer machte.
    Die Schmerzen fühlten sich an, als hätte ich gerade einen harten Boxkampf hinter mir. Ich versuchte mich
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