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Nachruf auf eine Rose

Titel: Nachruf auf eine Rose
Autoren: Elizabeth Fenwick
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beiseite treten wollte, blockierte die andere Frau ihr den Weg.
    «Wo wollen Sie hin, junge Frau? Ich will mit Ihnen sprechen.»
    Sally schüttelte den Kopf, unberührt von Julias Ärger. Seit ihrer Hochzeit mit Alex hatte Julia sie von oben herab behandelt, und sie wusste, dass das Wissen um die Erbschaft Grund genug war, sie ihre Wut und Verzweiflung spüren zu lassen.
    «Bitte, Julia. Dies ist weder der rechte Ort noch die rechte Zeit. Warum besprechen wir die ganze Angelegenheit nicht später bei einer Tasse Tee?»
    «Bei einer Tasse Tee? Das darf doch wohl nicht wahr sein! Was glauben Sie, wer Sie sind, dass Sie mich gnädigerweise zum Tee einladen? Offen gestanden sind Sie der letzte Mensch, mit dem ich mich an einen Tisch setzen würde. Ich gebe mich schließlich nicht mit jedem ab.»
    Alexander machte einen Schritt nach vorne und fasste Julia fest an der Schulter.
    «Reg dich bitte nicht auf, Tante Julia. Das Letzte, was Onkel Alan gewollt hätte, wäre, dass diese Angelegenheit die Familie auseinander bringt.»
    Julia warf ihren Kopf zurück und lachte schrill.
    «Du Einfaltspinsel! Eben das hat er doch bezweckt. Diese Angelegenheit dient wohl kaum dazu, eine Familie glücklich zu vereinen. Du bist so dumm. Aber das überrascht mich nicht, da dein Vater ein Idiot war. Was soll man da anderes erwarten?»
    «Jetzt reicht’s.» Alexanders Ton war kaum noch höflich zu nennen, und es schwang ein nicht zu überhörender autoritärer Klang in seiner Stimme mit. Alle sahen ihn an und hielten überrascht die Luft an. Julia fasste sich als Erste wieder, doch ihre Worte klangen nörglerisch, und sie hatte das meiste ihrer anmaßenden Selbstsicherheit verloren.
    «Bilde dir ja nicht ein, ich wüsste nicht, wie es zu dem Ganzen gekommen ist. Wartet nur, bis ich euch beide vor Gericht bringe. Dann wird alles ans Tageslicht kommen, über dich und dein Flittchen!»
    «Genug jetzt, Julia!» Colin blickte seine Frau entgeistert an. Der neue Alexander, den sie soeben kennen gelernt hatten, stand vor ihm und schien durchaus willens, auf ihren Ausbruch mit einer Verleumdungsklage zu reagieren. Er blickte das junge Paar von der Seite an. Wenn seine Frau mit ihren wütenden Beleidigungen vorgehabt hatte, sie aus der Fassung zu bringen, so war dies gründlich misslungen. Seine angeheiratete Nichte erwiderte seinen Blick mit kühler, distanzierter Verachtung, sein Neffe sah ihn ungeduldig an. Dann gingen sie selbstbewusst und völlig unberührt an Julia vorbei, um Jeremy Kemp mit einem warmen Händedruck zu begrüßen, und überließen es ihm, seine ungewohnt schweigsame Frau hinauszubegleiten.
    Kemp bat Alexander und Sally, auf den bequemen ledergepolsterten Stühlen Platz zu nehmen, und bot ihnen einen Sherry an. Es war erst elf Uhr, aber er hatte das Gefühl, sie könnten alle einen Schluck gebrauchen. Die Besprechung dauerte an, und als es schließlich auf ein Uhr zuging, wurde Kemp in seinen Ausführungen durch laute Stimmen aus dem Vorzimmer unterbrochen. Ihm fiel ein, dass er den Termin mit Graham um Viertel nach eins vergessen hatte. Er warf seinen Mandanten einen entschuldigenden Blick zu.
    «Graham sollte um 13.15 Uhr kommen. Da er es offensichtlich einmal geschafft hat, rechtzeitig da zu sein, weigert er sich zu warten.»
    Die Tür wurde mit solcher Vehemenz aufgerissen, dass die Fenster vibrierten, und Graham stolzierte herein, eine leichte Whisky-Fahne hinter sich. Jenny stand mit bedauernder Miene hinter ihm.
    «Typisch. Ich hätte mir denken können, dass ihr zwei zuerst drankommen würdet.»
    «Wir wollten gerade gehen. Und was wir besprochen haben, war ganz und gar nicht vertraulich, und wenn du einen Augenblick Zeit hast, dann würden wir es gerne auch mit dir bereden.» Sally lächelte entspannt. Alexander nahm ihren Arm und wandte sich an Kemp.
    «Wir überlassen das lieber Ihnen, Jeremy. Komm, Sally.»
    Er wollte etwas zu Graham sagen, entschied sich dann aber dagegen und schüttelte den Kopf, als wäre er unfähig, die richtigen Worte zu finden. Graham starrte ihm hinterher, verblüfft über die plötzliche Wandlung, die sein Cousin durchgemacht hatte.
     
    Alexander hätte sich vielleicht problemlos an seinen unerwarteten Reichtum gewöhnt, doch seine Welt sollte noch komplizierter werden. Um drei Uhr nachmittags betrat er die Büroräume der Firma Doggett and Hawes, die mit der Buchhaltung von Wainwright Enterprises betraut war, in der Hand eine Liste mit simplen Fragen. Um sieben Uhr abends verließ er die
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