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Nach Norden, Strolch

Nach Norden, Strolch

Titel: Nach Norden, Strolch
Autoren: Edgar Wallace
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Oktober in ihrer jeweiligen Begeisterung zu hindern suchte, wurde sie furchtbar, kam man ihr in die Quere, so verdreifachte sich ihre Entschlossenheit.
    Ihr Vater starb während des zweiten Jahres, das sie im McCube College war. Sie verbrachte zwei Tage mit dem vergeblichen Versuch, Trauer zu empfinden - sich an irgend etwas zu erinnern, was ihr ihren Vater hätte lieb machen können. Sie vertraute sich der Vorsteherin an, die versuchte, sie mit Herkömmlichkeiten zu trösten, womit sie aber nicht sehr erfolgreich war.
    »Es ist wirklich an sich nichts besonders Wertvolles an Vätern - auch nicht an Müttern«, sagte sie zum Entsetzen jener guten Dame. »Schließlich gibt man den Menschen alles wieder, was man von ihnen erhält. Eltern sind nur dann wertvoll, wenn sie ihre Kinder lieben - sonst sind sie nichts anderes als Mr. Miller oder Mr. Jones. Das ist leider mein Gefühl Papa gegenüber. Ich habe mich so angestrengt, Trauer zu empfinden, aber selbst der Gedanke, daß ich Waise bin, reicht nur für eine einzige Träne!«
    Miss Flemming empfand die Notwendigkeit, diesem gefährlichen Standpunkt entgegenzutreten.
    »Dein Vater, meine Liebe, hat für dich sehr schwer gearbeitet. Er hat dir ein bequemes Heim geschenkt, hat dir alles, was du besitzt, gekauft, hat dein Schulgeld bezahlt -«
    »Man hätte ihn ja eingesperrt, wenn er das nicht getan hätte«, sagte Oktober. »Es tut mir schrecklich leid, Miss Flemming, aber ich muß mir über diese Sachen auf meine eigene Art klarwerden. Alles andere ist mir im Augenblick gleichgültig.«
    Ihr Vater hatte fast kein Geld hinterlassen - er hatte ja auch nie welches gehabt. Dies erfuhr sie von dem großen, ungelenken Andrew Elmer. Mr. Jones hatte nur ein geringes Jahreseinkommen gehabt, das mit seinem Tode erlosch. Mr. Elmer, an den sie sich nur schwach erinnerte, war ein Onkel von ihr, der Schwager ihrer Mutter und der Verwalter ihres Nachlasses. Nebenbei war er vor dem Gesetz ihr Vormund und sollte bald ihr höchst unwilliger Gastgeber werden.
    Im ersten Augenblick erschien ihr die Übersiedlung von McCube College in den Frieden von Mr. Elmers Birkenhof als angenehme Veränderung; ihr war, als sei sie aus der Unruhe eines Strudels in ruhiges Fahrwasser gekommen. Binnen vierundzwanzig Stunden aber sah jenes Fahrwasser aus wie ein Sumpf, mit grünem Schlamm auf der Oberfläche, auch Frau Adelaide Elmer war kein erfreulicher Ersatz für die menschlichen Beziehungen, die Oktober hatte abbrechen müssen.
    Oktober bäumte sich äußerlich nicht dagegen auf; das Aufbäumen gegen irgend etwas war bei ihr der natürliche Daseinszustand. Die Unbezähmbarkeit des Tigers bleibt sich gleich, auch wenn man ihn von einem Käfig in den anderen überführt; ihre neuen ›Wärter‹ Waren ihr Leben lang nichts Wilderem begegnet als der üblichen Hauskatze und waren entrüstet, weil ihr Zögling die Krallen zeigte, wo er eigentlich hätte schnurren müssen.
    Pfarrer Stevens wurde herbeigerufen und um Hilfe gebeten. Er kam eines Samstagnachmittags, in seiner großen Hand drei kleine Bücher voll Rat und Trost. Er machte auf Oktober keinen besonderen Eindruck, und es stimmte auch, daß sich in seiner Bildung erstaunliche Lücken befanden, die nur durch angeborene Herzensgüte hätten überbrückt werden können. Oktober sprach ihr Urteil über ihn aus.
    »Er ißt mit den Fingern«, sagte sie.
    Mrs. Elmer war für den Augenblick wie vom Schlag gerührt.
    »Einen angenehmeren Herrn als Herrn Pfarrer kenne ich überhaupt nicht« - ihre Stimme überschlug sich, wenn sie aufgeregt war -, »und er gebraucht Messer und Gabel genau wie du, Oktober. Es ist einfach eine bösartige Lüge von dir …«
    Oktober schwieg. Sie diskutierte nie, wenn keine Aussicht auf Erfolg vorhanden war.
    Der Vorschlag, sie solle heiraten, ängstlich von Andrew Elmer vorgebracht, wurde mit erstaunlichem Gleichmut aufgenommen.
    »Wirklich?« Oktober horchte auf. »Wen habt ihr denn auf Lager?«
    Andrew unterdrückte seine erste Neigung, sich über die Kaltblütigkeit dieser Frage auszulassen.
    »Ich habe mit Lee Water gesprochen.« fing er an.
    Am nächsten Tag wurde Samuel ihr vorgestellt. Er war ziemlich selbstsicher und sprach ununterbrochen über sein Lieblingsthema. Oktober hörte mit gesenktem Blick zu. Als er wieder fort war, fragte sie: »Kennt dieser junge Mann irgend jemand außer sich?«
    Mr. Elmer verstand sie nicht.
    Samuel brachte Blumen und Bonbons, vor allem aber neue Anekdoten, die ihn als Helden
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