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Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)

Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)

Titel: Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)
Autoren: Achim Peters
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Typs der Cortisolspiegel. Einen Haken hat die Sache: Menschen vom Typ B können unter chronischem Stress zwar ihren Cortisolwert absenken, nehmen aber an Gewicht zu – während die gestressten A-Typen schlank bleiben. Warum?

    Abb. 2: Die Gabelung des Lebens
Unabhängig zu welchem Stresstyp man gehört – der Body Mass Index (BMI) bleibt stabil, so lange der Mensch sich in einer sicheren Umgebung befindet. Gerät er in eine stressvolle Umgebung, hängt sein weiterer BMI-Verlauf von seiner genetischen Veranlagung ab. Typ-A-Menschen nehmen ab, Typ-B-Menschen nehmen an Gewicht zu. Die in diesem Diagramm dargestellte Verzweigung nennt man in der Mathematik »Bifurkation«, was frei übersetzt »Gabel mit zwei Zinken« bedeutet
    Dreh- und Angelpunkt ist der Energiebedarf des Gehirns. Unter Stress steigt der nämlich stark an. Stress ist evolutionsbiologisch ein Zustand, in dem wir entschlossen und schnell eine brenzlige Situation meistern müssen; dafür braucht das Gehirn kurzfristig mehr Energie – jedenfalls normalerweise. Bei chronischem Stress ist das anders: Der Energiebedarf des Gehirns ist zunächst längerfristig erhöht. Die Typ-A-Gestressten ziehen die vom Gehirn benötigte Energie überwiegend aus den Körperdepots – also zum Beispiel aus dem Fett- und Muskelgewebe. Diese Aufgabe erfüllt das hochreaktive Stresssystem! Es hat also eine Doppelfunktion: Die Reaktions- und Handlungsfähigkeit zur Lösung einer Krise zu erhöhen und die Energieanforderung für das Gehirn aus den Körperdepots sicherzustellen. Durch dieses Energiediktat sorgt das hochaktive Stresssystem dafür, dass die Typ-A-Gestressten schlank bleiben oder unter starkem Stress sogar noch dünner werden.
    Beim Typ-B-Gestressten hat sich das Stresssystem aber angepasst – es ist niedrigreaktiv geworden. Folglich kann es seine Aufgabe, das Gehirn aus den Körperdepots zu versorgen, nicht mehr hinreichend erfüllen. Deshalb schaltet jetzt das Gehirn auf einen anderen Versorgungsmodus um: Es signalisiert einen erhöhten Nahrungbedarf und fordert seinen Besitzer auf, mehr zu essen. Das mag ein wenig seltsam klingen, aber tatsächlich verfügt das Gehirn über Mittel und Wege, uns zum Mehressen zu animieren, ohne dass uns dies bewusst wird. So verschafft sich das Gehirn seine Energie. Doch diese Strategie hat heutzutage und hierzulande bei einem ausreichenden Nahrungsangebot eine unerwünschte Nebenwirkung: Das Körpergewicht nimmt zu, wir werden dicker.
    Kehren wir noch einmal zum Beispiel der Brückenstatik zurück. Die Ingenieure suchen fieberhaft nach dem versteckten Fehler, der die Berechnungen durcheinandergebracht hat, und haben dabei alle Daten, Fakten und Annahmen noch einmal kritisch geprüft. Warum erscheinen uns die Beobachtungen zum Gewichtsparadoxon als Widerspruch zum gesunden Menschenverstand, wo ist der Fehler? Könnte es sein, dass schon die Grundannahme falsch ist, die Zunahme des Körpergewichts sei Ausdruck einer falschen, weil ungesunden Ernährung, einer Zuckersucht, einer Willenschwäche oder Faulheit? Was ist, wenn Gewichtszunahme vielmehr als Abwehrstrategie des Körpers zu betrachten wäre, um die Langzeitschäden von Dauerbelastungen mit erhöhten Cortisolwerten abzuwenden? Nehmen wir einmal an, dass Menschen deshalb dicker werden, weil sie ihr Stresssystem beruhigen können und zwar nicht nur kurzfristig, sondern nachhaltig – dann müsste das logischerweise bedeuten, dass sie in stressauslösenden Situationen weniger empfindlich und intensiv reagieren als schlanke.
    An der Universität zu Lübeck hat ein Teilprojekt der Selfish-Brain-Forschung sich jetzt mit dieser Frage befasst. Vor vier Jahren hatten die Wissenschaftler schon einmal junge Erwachsene gebeten, an einem psychosozialen Experiment teilzunehmen. Es ging dabei um die Simulation einer Prüfungssituation. Die Probanden mussten sich einem Gremium vorstellen und danach Rechenaufgaben lösen. Die Mitglieder des Gremiums gaben sich streng und unzufrieden und übten so maximalen Druck auf die Testkandidaten aus. Vor und nach dem Test wurden deren Cortisolwerte untersucht. Und obwohl der Test nur gestellt war, zeigten die Probanden nach zehn Minuten drastisch erhöhte Cortisolwerte. Sogar die Simulation einer belastenden Situation kann also das Stresssystem aktivieren. Das war eine der Erkenntnisse des damaligen Experiments, aber nicht die wichtigste. Es wurde vor allem nachgewiesen, dass bereits eine zehnminütige Stressphase – in welcher die Personen
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