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Mythor - 044 - Piraten der Wüste

Mythor - 044 - Piraten der Wüste

Titel: Mythor - 044 - Piraten der Wüste
Autoren: Werner K. Giesa
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interessierte die Prinzessin weniger. Dieser Mythor sah besser aus und gefiel ihr durch die Frechheit und Unbekümmertheit seines Auftretens.
    »Ich weiß, dass du nicht zu diesen Banditen gehörst«, sagte sie herablassend und reichte ihm die zierliche Hand, auf dass er sie küsse. Mythor grinste dreist und umschloss die Prinzessinnenhand mit seiner sehnigen Pranke.
    »Einen guten Morgen auch«, sagte er trocken.
    Sie entzog ihm die Hand sofort wieder. »Du bist ein Narr, Mythor«, sagte sie. »Und solange du dich so benimmst, werde ich dich weiterhin Pirat nennen.«
    Mythor schmunzelte und sank vor ihr auf die Knie. »Oh, edle Prinzessin, ich bin zutiefst betrübt. Doch ist es manchmal unumgänglich, sich den Gebräuchen seiner Gastgeber anzupassen, und die kennen den Handkuss nicht, Verehrteste.«
    Er erhob sich wieder; Shezad musste zu ihm aufsehen. Bei jedem anderen hätte sie dies nicht geduldet, aber irgendwie hatte Mythor etwas Gewinnendes… So etwa, überlegte sie sekundenlang, konnte sie sich einen Bruder vorstellen. Doch den gab es nicht.
    Sie griff mit der Linken nach oben zu ihrer aufgetürmten Frisur, die von perlenbesetzten Haarnadeln gehalten wurde. Diese Haarnadeln waren neben einem kostbaren Diadem mit grünen Edelsteinen der einzige Schmuck, den sie trug. »Du könntest mir einen Spiegel besorgen«, verlangte sie, »damit ich sehe, ob diese Piratenweiber meine Frisur nicht vermurkst haben.« Als sie seinen verblüfften Gesichtsausdruck bemerkte, fuhr sie fort: »Du wirst schon irgendwie daran kommen. Du schaffst doch sonst alles. Geh und handle!« Sie klatschte leicht in die Hände, als wolle sie ihre Sklavinnen rufen. Bloß gab es die hier im Piratenlager nicht.
    Mythor grinste und verneigte sich eine Spur zu tief. »Stets zu Diensten, Gebieterin meiner Stiefelsohlen«, murmelte er. Als er sich entfernen wollte, rief sie ihn noch einmal an.
    »Mythor!«
    Er wandte den Kopf und lächelte wieder. »Ja, Shezad?«
    »Du könntest etwas respektvoller sein. Immerhin hast du es mit einer der Töchter des Shallad zu tun.«
    Er lächelte immer noch. »Und du hast es mit dem einzigen Mann zu tun, der in der Lage ist, dir einen Spiegel zu beschaffen«, sagte er und ging weiter.
    Shezad sah ihm nach. Sie fragte sich, ob er ihr auch so respektlos gegenübertreten würde, wenn sie sich unter anderen Umständen kennengelernt hätten. Zum Beispiel im Palast ihres Vaters in Hadam. Sie würde ihn bei Gelegenheit danach fragen.
    Sich selbst fragte sie, warum sie ihm diese Frechheiten durchgehen ließ. Selbst die höchsten Würdenträger des Shallad hätten es nicht gewagt, so mit ihr zu reden, wie es dieser Mythor tat. Ich glaube, er wickelt mich um den Finger, dachte sie und war nicht in der Lage, etwas dagegen zu tun. Im Gegenteil: Es gefiel ihr. Vielleicht, weil er im Gegensatz zu der sonstigen Herde katzbuckelnder Höflinge und Bürger der einzige war, der es wagte, in diesem Ton mit ihr zu reden.
    *
    »Was hat sie von dir gewollt?« fragte No-Ango, dem nicht entgangen war, dass die Prinzessin ihn in die Grotte gerufen hatte. Auch einige der Piraten hatten es bemerkt, gingen aber nicht weiter darauf ein. Es herrschte in dieser Hinsicht eine lockere Großzügigkeit; da es keine Fluchtmöglichkeit gab, konnten die Gefangenen sich im Lager frei bewegen. Dass sie nichts Unerlaubtes taten, dafür sorgten alle durch ihre Beobachtungsgabe, und das waren nicht gerade wenige Männer. Fünfzig Segler wollten bemannt werden, und wenn Mythor sich vorstellte, dass es mindestens zehn Männer brauchte, um auch das kleinste der Schiffe schlagkräftig zu bemannen, so ließ sich leicht ausrechnen, wie viele Piraten es hier gab. Die Folge war, dass es praktisch keinen Ort gab, an dem sich nicht irgend jemand von den Piraten befand. Jassam schien die gesamte »Streitmacht« im Versteck zusammengezogen haben, nachdem der oberste Anführer Tashan gefangengenommen worden war.
    »Nichts von Bedeutung«, brummte Mythor. »Wenn du glaubst, sie hätte mich abgeknutscht, kann ich dich beruhigen. In der Beziehung hat sie wohl mit uns beiden wenig im Sinn. Hast du vorhin zufällig beobachten können, wohin diese Aieta verschwunden ist?«
    »Die Schwarzhaarige?« fragte No-Ango verblüfft. »Was willst du denn von ihr? Dir Prügel von ihren Verehren einhandeln?«
    »Mitnichten«, murmelte Mythor und ließ sich von No-Ango die ungefähre Richtung zeigen. Der Letzte der Rafher schüttelte den Kopf, als Mythor schnurstracks dorthin stiefelte.
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