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Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Titel: Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)
Autoren: Julia Malchow
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ich, durch ein Kind in Gefahr.
    Mit Mitte dreißig fing ich an, diese Glaubenssätze zu hinterfragen. Zum Glück. Denn ich stellte überrascht fest, dass ich dem Gedanken an ein Kind eigentlich recht positiv und aufgeregt gegenüberstand. Es tauchte jedoch eine weitere Hürde auf: Ich hatte es nicht. Dieses Gefühl. Dieses drängende klare starke Gefühl, von dem alle, wirklich alle Frauen berichten, die ich kenne. Bei mir hingegen: nichts. Gar nichts. Ich hatte es einfach nicht: dieses Gefühl, unbedingt Mutter werden zu müssen.
    Und nun? Mein Leben war auch ohne Kind schön. Ich war nicht auf der Suche nach einem neuen Sinn des Lebens. Also wartete ich, dass sich dieser innere Drang nach einem Kind vielleicht doch noch einstellen würde. Denn ohne kann ich unmöglich eine Mutter werden. Zumindest keine gute, richtige Mutter. So dachte ich, und das quälte mich sehr.
    Nach zwei Jahren des erfolglosen Wartens traf ich eine Entscheidung: Ich kann auch ohne dieses Gefühl, unbedingt Mutter werden zu müssen, weil mein Leben sonst keinen Sinn macht, Mutter werden. Auch eine gute. Es muss nicht falsch sein oder gegen meine Natur, nur weil mir ebendieses Gefühl fehlt. Diese Entscheidung war eine enorme Erleichterung.
    Dann ging ich verschiedene Phasen meines Lebens durch und stellte fest, dass es die besten, spannendsten und aufregendsten Wendungen genommen hatte, wenn ich immer dann, wenn ich mich nicht entscheiden konnte – und das kam charakterbedingt leider des Öfteren vor –, für die jeweils größere Veränderung entschieden hatte.
    Und plötzlich war alles klar und leicht: Eins plus eins macht drei!
    Dann kam Levi, und ich war im Rausch der Glückshormone. Und jeder Tag war zu kurz. Und die Nächte auch. Neben den hilflosen Versuchen, die Zeit zu dehnen, stellte sich mir eine neue unerwartete Hürde in den Weg: Es fiel mir schwer, Levi loszulassen. Ihn bei Markus allein zu lassen. Oder bei der Nanny. Mein Kopf sagte Ja, mein Herz zerriss es. Mir, die es theoretisch immer selbstverständlich fand, dass Väter Erziehungsurlaub nehmen oder Eltern ihre Kinder mit einer Kita oder Babysittern teilen.
    Ich befürchtete, zu einem dieser Mutterschafe zu werden, die sich 100-prozentig um ihre Kinder kümmern. Die sich auf dem Spielplatz über Zahnungsbeschwerden und die neuesten Trends in der frühkindlichen Förderung austauschen. Eine der Mütter, die selbst im Umgang mit Erwachsenen immer weniger in der Lage sind, die hohe sanfte Babystimme und den leicht senilen Blick abzulegen oder überhaupt Themen jenseits des wichtigsten Menschen in ihrem neuen Leben zu finden. Und fest davon überzeugt sind, damit das Beste und einzig Richtige zu tun. Ich doch nicht. Oder?
    Wäre es denn so schlimm, ein Mutterschaf zu sein? Mäh? Mäh!
    Also probierte ich es aus: Nur die wichtigsten joblichen Termine, das hieß, jeden zweiten Tag drei Stunden ins Büro, ansonsten: Levi wickeln, Levi füttern, einkaufen, mit Kinderwagen spazieren gehen, mit Babyjogger joggen gehen, mit Kinderwagen ins Café zum Lesen, aus dem Café flüchten, wenn Levi auf Dauer zu laut wird, Freundinnen mit Kinderwagen zum Mittagessen treffen, mit Levi in der Babytrage durch den Zoo spazieren, mit Levi schwimmen, mit Levi tanzen, mit Levi auf dem Sofa liegen und schmusen, Levi zum Greifen animieren, Levi zum Lachen bringen, Levi trösten, Levis Wäsche waschen, Levis Spielzeug aufräumen, wenn Levi schläft, schnell duschen und E-Mails checken, mit Levi zum Arzt gehen, Levi Levi Levi. Ich war selbst überrascht, als wie anstrengend ich diesen Selbstversuch empfand. Meine früheren Überstunden im Büro waren nichts dagegen. Also: Es machte viel Spaß. Aber dieser Teil in mir, der Ideen hatte, der Reisekonzepte entwickeln wollte, der den Menschen in meinem Reisebuchladen die Welt mit allen Sinnen spüren lassen wollte, der überall Ansatzpunkte für Verbesserungen im Dienstleistungsgewerbe sah, der wollte einfach nicht ausgebremst werden. Und auch die permanente Fremdbestimmung durch Levi fiel mir nicht leicht. Es musste doch auch mal wieder nach meinen Vorstellungen laufen.
    Ich hielt Levi bei unseren Wanderungen entlang der Isar Vorträge über eine kooperative Mutter-Kind-Beziehung und was diesbezüglich meine Erwartungen an ihn seien. Er hörte aufmerksam zu, machte an manchen Stellen undefinierbare Geräusche und ansonsten weiter wie bisher.
    An einem ganz normalen Dienstag – ich hatte gerade meine drei Stunden Job erledigt – balancierte ich mit Levi
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