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Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands

Titel: Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
Autoren: Amy Cameron
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verdient.
    Daran musste die junge Lehrerin denken, während sie schnellen Schrittes aus der Stadtmitte in Richtung Princess Street eilte, wo sich ihr Arbeitsplatz befand. Sie ging jeden Morgen zu Fuß. Das war gesund, und sie hatte vor Schulbeginn die Gelegenheit, ihren Gedanken nachzuhängen. Noch einmal schweiften diese zu ihrem hartnäckigen Verehrer ab. Er sah nicht einmal schlecht aus, und auch sein Alter störte sie nicht – er war an die zehn Jahre älter als sie –, aber er war ihr einfach zu langweilig. Wenn er über etwas mit Feuereifer sprach, dann über den Satz des Pythagoras und die euklidische Geometrie. Ein Thema, das Lili gar nicht ferner hätte liegen können. Sie unterrichtete nämlich englische Literatur und Musik. Einmal hatte er ihr sogar ein selbst gemachtes Liebesgedicht unter dem Türspalt hindurchgeschoben. Lili hatte nicht umhin gekonnt, kichernd den Rotstift anzusetzen. Ein Werk wie dieses aus der Feder einer ihrer Schülerinnen hätte dieser einigen Tadel eingebracht. Natürlich hatte sie den guten Willen gewürdigt, aber weder Inhalt noch Form des Machwerks hatten ihr Herz erweicht. Sie konnte zwar nicht mit Sicherheit sagen, wie der Mann sein musste, in den sie sich würde verlieben können, aber eines wusste sie genau: Er sollte eher ein Schöngeist oder zumindest ein profunder Kenner von Literatur und Musik sein.
    Lili zog sich den Kragen ihres Wollmantels noch höher, als sie am Hals einen kalten Windhauch spürte. Zum Glück regnet es nicht, dachte sie mit bangem Blick zum Himmel hinauf. Noch schien die Sonne, aber von Westen her näherten sich bereits wieder bedrohlich düstere Wolken. Sie war nur froh, dass sie sich heute nicht am frühen Morgen im Dunkeln auf den langen Weg hatte machen müssen wie sonst im Winter. Heute herrschte nämlich Ausnahmezustand in der Schule, denn morgen war der St. Andrew’s Day zu Ehren des schottischen Schutzheiligen, der an der St. George’s immer besonders gefeiert wurde. Am Vorabend trafen jedes Jahr die Eltern der Schülerinnen ein, die hoch aus dem Norden, aus den Highlands, kamen. Sie durften ihre Kinder besuchen, die so kurz vor Weihnachten keine Ferien mehr bekamen. In den umliegenden Hotels bezogen sie Quartier, denn schon am Abend wurde bei Musik, Tanz und einem Haggis-Essen, dem schottischen Nationalgericht, in dem großen Festsaal der Schule ausgelassen gefeiert. Viele Mädchen hatten ihre Eltern seit den Sommerferien nicht mehr gesehen. Sie waren deshalb viel zu aufgeregt, um an einem Tag wie diesem dem Unterricht zu folgen. Deshalb musste auch Lili erst am Vormittag zur Schule, wo die Mädchen probten, was sie abends vor den Eltern auf der Bühne zum Besten geben würden. Der absolute Höhepunkt war in diesem Jahr die Aufführung eines Schwerttanzes, des Gillie Callum, der elfjährigen Isobel Munroy. Lili selbst hatte das begabte Mädchen dazu ermutigt, den Solotanz zu wagen. Wochenlang hatten die Tanzlehrerin Mademoiselle Larange und Lili mit Isobel geübt. Lilis Herzschlag beschleunigte sich bei dem Gedanken an den heutigen Auftritt ihrer heimlichen Lieblingsschülerin. Sie würde das Mädchen am Klavier begleiten, und da musste jeder Ton sitzen, um Isobel nicht aus dem Rhythmus zu bringen. Sie durfte ja beim Tanzen auf keinen Fall eines der beiden am Boden liegenden gekreuzten Schwerter berühren.
    Eine wohlbekannte Männerstimme holte sie aus ihren Gedanken. »Guten Tag, Miss Campbell«, grüßte Ian betont förmlich.
    »Hallo, Ian«, erwiderte Lili freundlich und blickte auf.
    Aus seinem Gesicht sprach der reine Vorwurf, aber er schwieg. So verliefen ihre Begegnungen in der Schule stets, seit Lili in die Bell’s Wynd gezogen war, aber ihr war das lieber so. Endlich hatte er verstanden, dass sie kein privates Interesse an ihm hatte.
    Lili war bereits auf dem Schulgelände angelangt und eilte geradewegs in den Festsaal, wo sie noch einmal mit Isobel proben wollte, doch als Lili den Saal betrat, fand sie ihre Schülerin in Tränen aufgelöst.
    »Bella, was ist geschehen?«, fragte Lili erschrocken und legte ihr tröstend den Arm um die Schultern.
    Das hochgewachsene Mädchen mit dem rot gelockten dicken Haar und einem Gesicht voller Sommersprossen blickte die Lehrerin traurig an. »Mein Vater«, weinte sie, zog einen zerknitterten Brief aus der Tasche ihrer Schulschürze und reichte ihn Lili wortlos. Die zögerte, Isobels Post zu lesen, doch nachdem das Mädchen sie regelrecht dazu aufgefordert hatte, vertiefte sie sich in die
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