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Muensters Fall - Roman

Muensters Fall - Roman

Titel: Muensters Fall - Roman
Autoren: H kan Nesser
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eingekauft.«
    »Das habe ich schon gerochen.«
    »Und warum willst du plötzlich auswärts essen? Ich dachte, wir wollten heute zeitig essen, ich will doch heute Abend zu Emmeline, und du willst doch sicher ...«
    ». . . zu Freddy’s, ja. Aber ich esse außerhalb einen Bissen. Du kannst sie ja einfrieren, die Nieren.«
    Sie betrachtete ihn argwöhnisch.
    »Ist was passiert?«
    Er knöpfte sich den Mantel zu.
    »Nicht, dass ich wüsste. Was sollte denn passiert sein?«
    »Hast du deine Medizin genommen?«
    Er antwortete nicht.
    »Bind deinen Schal um. Es geht ein Wind.«
    Er zuckte die Achseln und ging.
    Fünftausend, dachte er. Man könnte für ein paar Nächte im Hotel wohnen.
     
    Wauters und Palinski hatten auch neue Schlipse, nur Bonger nicht.
    Bonger trug nie einen Schlips, er hatte sein ganzes Leben lang keinen besessen, aber zumindest hatte er ein einigermaßen sauberes Hemd an. Seine Frau war vor acht Jahren gestorben, und seitdem ließ er den Dingen ihren Lauf. Sowohl was die Hemden betraf wie auch alles andere.

    Wauters hatte einen Tisch im Restaurantbereich bestellt, und auf Palinskis Vorschlag hin begann man mit Champagner und Kaviarschnittchen, abgesehen von Bonger, der statt Kaviar Flusskrebsschwänze vorzog. Mit Sauternesoße.
    »Was ist denn mit euch los, ihr alten Knacker?«, wunderte Frau Gautiers sich misstrauisch. »Habt ihr eure Prostata an die Forschung verkauft?«
    Aber sie nahm eine Bestellung nach der anderen entgegen, ohne mit der Wimper zu zucken, und als Palinski ihr wie immer auf den Hintern klopfte, schaffte sie es kaum, seine rheumatische Hand wegzuscheuchen.
    »Prost, Brüder!«, rief Wauters in regelmäßigen Abständen aus.
    »Jetzt wird saustark gefeiert im Kapernaum!«, erklärte Palinski noch häufiger.
    Verdammt, was habe ich diese Idioten satt, dachte Leverkuhn.
     
    Gegen elf Uhr hatte Wauters acht oder neun Mal erzählt, wie er das Los gekauft hatte. Palinski hatte ungefähr genauso oft »Oh, meiner Jugend schönste Sünde« gesungen, und jedes Mal nach eineinhalb Zeilen abgebrochen, da er sich nicht mehr an den Text erinnerte, und Bongers Gedärme waren durcheinander geraten. Waldemar Leverkuhn dagegen hatte das Gefühl, dass er vermutlich betrunkener war als seinerzeit auf dem Oktoberfest in München vor fünfzehn Jahren. Oder war es schon sechzehn Jahre her?
    Wie auch immer, es war an der Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen.
    Wenn er nur seine Schuhe finden könnte. Die letzte halbe Stunde hatte er in Strümpfen dagesessen, was er verwundert festgestellt hatte, als er zum Pinkeln auf der Toilette war, aber wie sehr er auch mit den Füßen unter dem Tisch herumtastete, er konnte nichts finden.
    Das war aber auch zu blöd. Er wusste, Bongers Gedärme hatten wieder gesprochen, und als Palinski erneut mit seinem
Gesang einsetzte, wurde ihm klar, dass er die Sache unbedingt systematischer angehen musste.
    Er hustete ablenkend und machte einen diskreten Tauchgang, bekam aber unglücklicherweise einen Zipfel der Tischdecke zu fassen, und daraufhin wurde alles so ein Durcheinander, dass er ganz einfach keine Lust mehr hatte, sein zufälliges Exil unter dem Tisch wieder zu verlassen. Irgendwelche Schuhe sah er nirgends.
    »Haut ab!«, murmelte er drohend. »Verschwindet, fahrt zur Hölle und lasst mich in Ruhe!«
    Er drehte sich auf den Rücken und zog die restliche Tischdecke und das Porzellan mit sich. Von den umgebenden Tischen war ein gemischter Chor aus Lachsalven und empörten Frauenstimmen zu vernehmen. Von Wauters und Palinski kamen gute Ratschläge und von Bonger ein weiterer Tritt.
    Dann zeigten sich Frau Gautiers und Herr Van der Valk und Freddy himself, und zehn Minuten später stand Waldemar Leverkuhn draußen auf dem Fußsteig im Regen, in Mantel und Schuhen. Palinski und Wauters verschwanden in einem Taxi, und Bonger fragte im nächsten Atemzug, ob sie sich nicht auch eins teilen sollten.
    Nur über meine Leiche, du verdammte Stinkbombe!, dachte Leverkuhn und anscheinend sagte er das auch, denn während einer bedrohlichen Sekunde schwebte Bongers Faust unter seiner Nase, aber dann verschwanden sowohl Faust als auch ihr Besitzer entlang der Langgraacht.
    Leicht reizbar wie üblich, dachte Leverkuhn und begann langsam ungefähr in die gleiche Richtung zu gehen. Der Regen wurde stärker. Das war aber nichts, was ihn störte, ganz und gar nicht. Trotz seines Rausches ging es ihm ausgezeichnet, und er konnte fast hundertprozentig den Kurs halten. Erst als er auf die
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