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Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Titel: Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)
Autoren: Edward Kelsey Moore
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ich ihnen ewig dankbar sein.
    Big Earl war also ein guter, starker Mann, der anderen Menschen dabei half, auch stark zu sein. Er wurde von vielen geliebt, und zwar nicht nur von Schwarzen. Man konnte mit jedem Problem zu Big Earl kommen, und er setzte sich mit einem hin und hörte sich die Sorgen eines ganzen Lebens an. Hin und wieder nickte er geduldig, als höre er das alles zum ersten Mal. Und das, obwohl er ein Mann war, der in seinem Leben schon viel gesehen und auch das persönlichste Problem vermutlich schon hunderte Male gehört hatte. Wenn man mit dem Erzählen fertig war, rieb er sich mit seinen großen Händen über die weißen Bartstoppeln, die sich von seiner kohlschwarzen Haut abhoben, und sagte: »Wir werden Folgendes tun.« Und wenn man vernünftig war, tat man genau das, was auch immer es war. Er war ein kluger Mann. Verdiente in seinem Leben etwas Geld, behielt seine Würde und schaffte es auch noch, alt zu werden – etwas, das einem schwarzen Mann seines Jahrgangs in Southern Indiana eigentlich nicht möglich war. Etwas, das viele versucht hatten, damit aber gescheitert waren.
    Falls man Mamas Worten also traute, war Big Earl nun tot. Aber das war ein ziemlich großes »falls«.
    Mama sagte: »Worüber habe ich gerade noch mal gesprochen? Ach ja, den Springbrunnen. Thelma hat gesagt, der Springbrunnen in ihrem vorderen Zimmer sei fast zwei Meter hoch, und er sähe aus wie ein nacktes weißes Mädchen, das Wasser aus einem Krug auf den Kopf eines zweiten nackten weißen Mädchens gießt. Wer kommt bloß auf so ein Zeug?«
    Ich schenkte mir ein weiteres Glas Wasser ein und dachte nach. Mama kam oft durcheinander, wenn es um ihre Wahrnehmung der Welt ging, sei es nun der physikalischen oder der der Geister. Und sie sagte selbst oft genug, dass Geister Schwindler sein konnten. Die ganze Sache mit Big Earls Tod konnte genauso gut ein Streich sein, den ihr eine beschwipste, streitlustige Eleanor Roosevelt spielte. Ich beschloss, die ganze Sache aus meinen Gedanken zu verbannen, bis wir später nach der Kirche unsere Freunde zum Essen sehen würden. Auch heute Nachmittag würden wir uns wie jeden Sonntag im All-You-Can-Eat treffen. Big Earls Sohn, der von allen Little Earl genannt wurde, und seine Frau Erma Mae hatten das Diner bereits vor einigen Jahren übernommen, aber Big Earl schaute noch immer fast jeden Tag vorbei, um seinem Sohn und seiner Schwiegertochter unter die Arme zu greifen. So oder so würde ich später meine Antwort bekommen.
    Mama fragte: »Und warum bist du um diese Zeit überhaupt auf und schüttest Wasser in dich hinein?«
    »Ich bin aufgewacht, weil mir heiß war und ich mich abkühlen musste«, sagte ich und nahm einen weiteren Schluck. »Hitzewallungen.«
    »Hitzewallungen? Ich dachte, du hättest den Wechsel schon hinter dir.«
    »Das dachte ich eigentlich auch, aber anscheinend bin ich noch in der Umstellung.«
    »Tja, vielleicht solltest du das untersuchen lassen. Du willst dich doch nicht zu sehr verändern. Bei deiner Tante Marjorie setzte der Wechsel ein und hörte nicht mehr auf, bis sie sich in einen Mann verwandelt hatte.«
    »Ach, das hat sie nicht, und das weißt du.«
    »Okay, vielleicht wurde sie nicht vollständig zum Mann, aber immerhin ist Marjorie ein Schnurrbart gewachsen, sie hat sich den Kopf rasiert und angefangen, sogar in der Kirche Overalls zu tragen. Ich sage ja nicht, dass ihr das nicht stand; ich will dir bloß deutlich machen, dass es eine klare Linie gab zwischen ihren ersten Hitzewallungen und dieser Kneipenschlägerei, in der sie umkam.«
    Ich aß eine Traube und sagte: »Schon verstanden.«
    Wir saßen da und schwiegen. Ich dachte an Big Earl, obwohl ich mir selbst einredete, es nicht zu tun, und Mama an Gott weiß was. Sie stand auf und trat ans Fenster, das sich zum seitlichen Garten hin öffnete, und stellte fest: »Das wird ein wirklich schöner Sonntagmorgen. Ich mag es, wenn es heiß ist. Du solltest dich noch etwas ausruhen, bevor du zur Kirche gehst.« Dann wandte sie sich vom Fenster ab und sagte zu mir, als würde sie wieder mit dem kleinen Kind sprechen, das ich einmal war: »Und jetzt marsch ins Bett, du Sturkopf.«
    Ich gehorchte. Ich stellte mein Glas in die Spüle, die halbleere Schale Trauben und den Wasserkrug zurück in den Kühlschrank und machte mich auf den Weg zurück ins Schlafzimmer. Ich drehte mich noch einmal um und sagte: »Grüß Paps von mir.«
    Aber Mama war bereits aus der Hintertür geschlüpft, ich sah, wie sie
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