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Morgens 15.30 in Deutschland

Morgens 15.30 in Deutschland

Titel: Morgens 15.30 in Deutschland
Autoren: David Werker
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Untersuchung abbricht, press eine gehustete Entschuldigung hervor, verabschiede dich höflich und vergiss dabei auf keinen Fall zu husten. Draußen vor der Tür bewegst du dich nicht vom Fleck, sondern hustest so lange derartig laut und übertrieben weiter, bis der Arzt die Tür aufreißt und dir gehörig was hustet!
Die gezielte körperliche Manipulation kann diese Vorgehensweise zur Ausmusterung noch verstärken. Dazu einfach die Quietschpfeife aus dem Gummiknochen deines Hundes ausbauen und runterschlucken. So pfeifend wie ein Trabbi am Brenner, simuliert man perfekt ein chronisches Asthma! Wahlweise kann man aber auch die ganze Nacht – mindestens zehn Stunden – mit einem Bein auf dem Bürgersteig und mit dem anderen auf der Straße humpelnd verbringen, sodass man morgens mit einem souverän vorgetragenen Beckenschiefstand und chronischer Beinverkürzung feierlich ausgemustert wird!
Dann, sehr schön, aber nicht ganz einfach zu realisieren: Geschwister (er)finden! In der BRD muss der dritte Sohn nicht zum Bund. Das bedeutet: Sollte Natascha Ochsenknecht noch einen Jungen auf die Welt bringen, waren Jimi Blue und Wilson Gonzalez wenigstens für irgendetwas gut! Für dich persönlich heißt das: Entweder du hast zwei ältere Brüder, dann bist du raus aus der Nummer, oder dein Vater führt ein Leben wie Franz Beckenbauer, dann lohnt sich die ausgiebige Recherche! Ansonsten könnte dich die Diskussion mit deinen Eltern weiterbringen, ob man in diesen Zeiten nicht ein gutes Herz zeigen und ein bis zwei 25-jährige Tsunami-Waisen adoptieren sollte.
Die Möglichkeit, die nun beschrieben wird, ist offiziell kein Grund zur Ausmusterung – selbstverständlich nicht! Wo kämen wir da hin? Liegt dein Kreiswehrersatzamt allerdings in einer sehr ländlichen Gegend, ist die Sache einen Versuch wert: Zieh dich also einfach an wie eine Horde Bahnhofstunten aus der Uckermark und dann im Trippelschritt ab zur Musterung! Dort musst du natürlich unbedingt deine Rolle weiterspielen, also anstatt dem Assistenzarzt zur Begrüßung die Hand zu geben, erst mal wacker dem Weißkittel an die Kronjuwelen gelangt! Der Rest sollte dann von alleine laufen. Falls nicht, heißt das: nachlegen! Beim EKG (Eierkontrollgriff) einfach mal dem Stabsarzt zärtlich ins Ohr stöhnen, spätestens dann hast du bei den Olivgrünen (inoffiziell natürlich nur) lebenslanges Hausverbot!
Das letzte Mittel ist eine sichere Sache, allerdings nur was für Festentschlossene, es lautet: Amputation! Nimm deinen Körper mal genauer unter die Lupe, vielleicht findest du etwas, auf dessen Verwendung du in Zukunft verzichten kannst: eine Hand, einen Hoden, einen eingewachsenen Zehennagel. Aber Vorsicht! Mit Skalpell und Spreizer treibt man keine Scherze! Bei Eingriffen, bei denen dir deine Kumpels ein paar innere Organe entfernen wollen (Milz, Niere, innerer Schweinehund), unbedingt auf die Assistenz eines Fachmanns bestehen! Vielleicht kennst du ja einen Metzger, der sich hierfür zur Verfügung stellt – oder Opa war an der Ostfront, dann ist er der richtige Mann für narkosefreie Operationen aller Art.
Alle, die erfolgreich ausgemustert wurden oder die Zeit als Zivi, Soldat oder FSJlerin bereits hinter sich gebracht haben, stehen dann vor einer ganz wichtigen Entscheidung: Studium oder Ausbildung? Oder geh ich auf Nummer sicher und bewerb mich direkt bei DSDS?
Ausbildung hat den klaren Vorteil: es gibt Knete! Studium hat den Nachteil: es gibt keine! Im Gegenteil, an den meisten Unis musst du fürs Nichtstun auch noch bezahlen! Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, die in der Evolution einmalig ist. Milliarden von Jahren haben Einzeller, Amphibien, Säugetiere und Postangestellte nichts anderes getan, als rumzuhängen und sich fortzupflanzen. Der Student ist die erste Spezies, die dafür zur Kasse gebeten wird! Gut, die allerersten Einzeller mussten im Endeffekt ebenfalls bezahlen – sie sind ausgestorben. Aber da das Millionen von Jahren gedauert hat, ist das ein Preis, den der Student an sich billigend in Kauf nehmen würde. Hier kann ich nur sagen: Nach uns die Sintflut!
Im Gegensatz zur Ausbildung hast du an der Uni keinen unmittelbaren Vorgesetzten, der dir die Hölle heißmacht ... aber keine Sorge, darum kümmern sich dann deine Eltern. Das vorteilhafte an einer Ausbildung ist, dass du später einen Job findest und dein Leben lang damit Geld verdienst. Viele Individualisten lassen sich allerdings nicht gerne in solch ein vorgefertigtes Korsett zwängen,
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