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Mordwoche (German Edition)

Mordwoche (German Edition)

Titel: Mordwoche (German Edition)
Autoren: Sabine Wierlemann
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Badezimmertür. Alex drehte ihr den Rücken zu und hatte gerade etwas vom Waschtisch genommen. Susanne sah Alex und musste laut loslachen. Alex drehte sich um und bot, nur mit Cowboystiefeln und knapper Unterhose bekleidet, einen komischen Anblick. „Ich weiß gar nicht, was daran so komisch sein soll, wenn ich mir Gedanken mache, was ich zur Einführung in deine Familie anziehen soll. Aber Spaß beiseite“, Alex hielt Susanne das kleine geöffnete Kästchen hin, das auf dem Waschbecken gestanden hatte, „findest du nicht, dass du es mittlerweile ein bisschen übertreibst mit diesen Vitamin-Pillen? Ich meine, ich nehme doch brav alles, was du so aus dem Reformhaus anschleppst, aber wir ernähren uns eigentlich gesund genug.“ Alex fragte schon gar nicht mehr nach, wofür denn diese oder jene Pille oder Ampulle war. Es machte Susanne glücklich, ihren Schatz gut geschützt gegen freie Radikale und sonstige Unwägbarkeiten des Immunsystems zu wissen und das reichte Alex. Diese unscheinbare Kapsel musste einen ganz besonders exquisiten Wirkstoff enthalten, denn sie war in eine kleine mit Samt ausgeschlagene Schatulle gebettet. Na gut, Augen zu und durch, mit einem Schluck Wasser aus dem Zahnputzglas würde auch dieses Pillchen zu schlucken sein.
    Susanne stürzte entsetzt auf Alex zu. „Finger weg von der Kapsel! Da ist Gift drin!“ Alex sah Susanne entgeistert an. „Nein, das ist jetzt ein Scherz, oder? Die Prämie für die Lebensversicherung gibt es doch erst nach dem Standesamt, Maus.“ Susanne war nicht zum Scherzen zumute. Sie nahm Alex das Kästchen aus der Hand, ließ den Deckel zuschnappen und atmete erleichtert auf. Gottseidank, die Kapsel lag noch drin! „Susanne?“ Alex Stimme wurde ernst. Susanne war klar, dass jetzt eine Erklärung fällig war. „Nicht hier, lass uns in die Küche gehen, dann erkläre ich dir alles.“ „Da bin ich allerdings gespannt. Schließlich kenne ich sonst niemanden, bei dem einfach so eine Giftpille im Bad rumliegt.“
     
    Ein verführerischer Duft zog durch die offene Küche und Alex setzte sich auf die moderne Küchenbank. Als Susanne die frischen Croissants auf den Tisch gestellt hatte und der Milchkaffee in ihren original französischen Boule-Schalen dampfte, war Alex der Geduldsfaden fast gerissen. „Jetzt spann’ mich nicht noch länger auf die Folter, immerhin wäre ich vorhin um ein Haar durch eine vermeintliche Vitamin-Dosis hops gegangen. Warum liegt so etwas bei uns im Badezimmer rum? Was für ein Gift ist das eigentlich und wie bist du da dran gekommen?“ Der Vorfall im Bad hatte Susanne sichtlich mitgenommen. Schon wieder stiegen ihr Tränen in die Augen. „Das Zyankali habe ich für meinen Vater besorgt. Ich habe die Kapsel schon über ein Jahr und hatte sie ganz hinten im Schrank versteckt und gehofft, dass ich sie nie würde rausholen müssen.“ Sie wischte sich die Tränen von der Backe und zupfte an ihrem Croissant herum. Wo sollte sie nur anfangen zu erzählen?
    „Mein Vater hat chronischen Blutkrebs, der ist aber erst ziemlich spät entdeckt worden. Dad hat einfach immer wieder die Vorsorgeuntersuchungen geschwänzt. Er dachte wohl, einer wie er, der wird schon nicht krank. Der lebt einfach bis zum Ende, geht dann ins Bett und wacht nicht mehr auf. Das Leben sieht aber anders aus. Jetzt hat er den Scheiß Krebs und die Ärzte können seine Beschwerden nur noch lindern, heilen können sie ihn nicht mehr. Anfangs sprach er ganz gut auf die Medikamente an und er musste wirklich eine Menge von dem Chemiekram schlucken. Er machte immer seine Witze darüber, dass er jetzt eine wandelnde Apotheke sei.“
    „ Susanne, Zyankali gibt’s aber nicht auf Rezept! Woher hast du das Zeug und was willst du damit?“ „Mein Vater weiß, dass sich die Krankheit verschlimmern wird und ihm ist klar, dass die Schmerzen dann unerträglich werden. Er hat Zeit seines Lebens alle Entscheidungen allein getroffen und diese Selbstständigkeit will er sich bewahren. Verstehst du, er möchte so etwas wie einen Notausgang haben, wenn es zu schwer wird für ihn.“ Susanne stütze ihren Kopf in die Hände. Alex hielt die mit Verzweiflung angefüllte Pause aus und legte Susanne nur die Hand auf den Rücken. Die Zeit stand still.
     
    „Du kannst dir nicht vorstellen, wie schwer es ist, den eigenen Vater so leiden zu sehen. Der Vater, der immer stark und fröhlich war, ist plötzlich ein leiser Mensch geworden. Er bemüht sich zwar, die Ringe unter den Augen und den starken
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