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Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee
Autoren: Reinhard Pelte
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darfst du ihren Müll verklappen. Also mach schon, Smut. Beeil dich.«
    Der Koch füllte den Kaffee ab, stellte Kuchen, eine große Tasse und die Kanne auf ein Tablett und reichte es ihm zu. Wortlos verließ er die Kombüse und arbeitete sich wieder nach achtern.
    »Kaffee wie befohlen, Herr Oberleutnant.« Er drückte dem Wachoffizier den Pott Kaffee in die Hand und verschwand im Offiziersdeck.
    Heute machte er sich in der Messe mehr Mühe als sonst. Vor der Mittagspause hatte ihn der Funkmeister wissen lassen, dass eine Mail für ihn eingegangen war. Nach dem ›Seemanns-Sonntag‹ werde der Fernmelder sie vorbeibringen. Er freute sich darauf. Sie würde von seinem Sohn sein. Er kannte sonst niemanden, der ihm eine Mail geschrieben hätte. Er stellte einen Strauß Kunstblumen, die er beim letzten Hafenaufenthalt erstanden hatte, auf die rutschfeste Tischdecke.
     
    *
     
    Nach dem Kaffee und Kuchen frischte der Wind auf und drehte auf westliche Richtungen. Regenböen zogen über das Schiff hinweg, und die Krängung nahm zu. Je weiter sie in den Kanal hineinsegelten, desto mehr nahm der Swell ab. Das Schiff lag stabil und ziemlich ruhig.
    Er war allein in der Pantry. Er schloss die Tür zum Gang und lehnte sich gegen den Kühlschrank. Bevor er das getackerte Papier aufriss, nahm er einen Schluck aus dem Flachmann.
     
    *
     
    ›Hallo, Paps,
    bei mir ist alles okay. Die Schule ist langweilig, aber ich habe kein Problem damit. In zwei Wochen komme ich an Bord. Weißt du schon genau, wann ihr in Kiel fest seid?
    Ich habe jetzt ein Mädchen. Sie ist Offiziersanwärterin wie ich und in der gleichen Crew. Sie wird nach dem Abschluss Medizin studieren. Wir sind heute Abend verabredet. Ich muss mich beeilen. Die Wäsche muss noch gewaschen werden. Die Wohnung muss ich auch sauber machen. Ich erzähle mehr, wenn ich an Bord bin.
    Gruß Momme‹
     
    *
     
    Die Mail war kurz, was ihn aber nur flüchtig verstimmte. Der Inhalt war umso erfreulicher. Sein Sohn würde Offizier werden. Er würde es besser haben als er. Und eine Freundin hatte er jetzt auch, eine Offiziersanwärterin wie Momme selbst. Eine Ärztin in der Familie würde sich nicht schlecht machen. Er wünschte sich, Gretchen würde das noch erleben können.
    Wann immer er an sie dachte, hatte er ein schlechtes Gewissen. In den Jahren bei der Hochseefischerei hatte er sie allein an Land zurücklassen müssen. Als die Fischerei zusammenbrach und die Flotte abgerüstet wurde, hatten sie ihr kleines Haus an der Weser bei Vegesack verkauft. Sie waren nach Flensburg in eine Mietwohnung gezogen. Wenige Jahre später war sie gestorben. Die Ärzte meinten, an Herzversagen, er glaubte eher an Kummer. Denn ihr Tod fiel ins gleiche Jahr, in dem auch ihr Sohn als Decksjunge bei der christlichen Seefahrt angefangen hatte.
    Nach der Fischerei hatte er als Steward auf Kreuzfahrtschiffen angeheuert. Die Seefahrt auf den Musikdampfern gefiel ihm nicht. Er passte da nicht hin. Seine Weitsichtigkeit zwang ihn, eine Brille zu tragen, die schrecklich große Augen machte. Zusammen mit seinen hageren, knochigen Einsneunzig, dem Panzerknackerkinn und den schütteren Haaren machte ihn das zu einer Figur, die eher auf ein Piratenschiff gepasst hätte als an Bord eines mondänen Kreuzfahrers. Er heuerte auch auf der ›Lili Marlen‹ an, einem luxuriösen Dreimaster für reiche Segelromantiker. Der Kommandant schätzte ihn, sah aber sofort, dass er anderswo besser aufgehoben war. Er ließ seine Beziehungen spielen und verhalf ihm zu einer Heuer auf dem Segelschulschiff der Marine. Er wurde als Messesteward eingestellt und war der einzige Zivilist an Bord. Eine Besonderheit, die sich die Marine gestattete und für die er wie geschaffen war.
    Er war alt, nur noch ein paar Jahre bis zum Vorruhestand. Er wünschte sich eine Familie mit Enkelkindern, die er sich auf die Knie setzen und denen er Geschichten von seinen Reisen über die Weltmeere erzählen konnte. Das würde ihm auf seine alten Tage Freude bereiten.

Dienstreise
     
    In der Nacht hatte der Regen nachgelassen und gegen Sonnenaufgang ganz aufgehört. Jetzt riss hier und da die Wolkendecke auf. Ein auffrischender Südwestwind trieb die Wolkenfetzen vor sich her. Es bestand berechtigte Hoffnung, dass sich in Kürze ein freundlicher Himmel durchsetzen würde.
    Jung fuhr von seinem Haus im Süden Flensburgs in die Innenstadt. Er erfreute sich jedes Mal wieder am Anblick der neu gestalteten Hafenspitze, die das Ende des weit ins Binnenland
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