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Mord in Mombasa: Thriller (German Edition)

Mord in Mombasa: Thriller (German Edition)

Titel: Mord in Mombasa: Thriller (German Edition)
Autoren: Nick Brownlee
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    Nachdem er den Anker geworfen hatte, sprang er in ein kleines Beiboot, das im seichten Wasser dümpelte. Er beschleunigte mit dem Außenbordmotor und steuerte auf die Landungsbrücke zu, die mit einer Reihe nackter Glühbirnen beleuchtet war. Die Mole führte zu einem klobigen Gebäude aus Beton und Wellblech am Südufer des Flusses. Aus einer Ecke hörte man das leise Brummen eines Generators. In einer anderen befand sich das Büro der Britannia Fishing Trips Ltd. hinter einer Abtrennung aus drei großen Plastikplanen. Dort saß Jakes Geschäftspartner hinter seinem Schreibtisch und durchwühlte einen Stapel eselsohriger Papiere.
    »’n Abend, Harry«, begrüßte ihn Jake.
    Harry Philliskirk grunzte nur und hob kurz die Hand, ohne sich umzudrehen.
    »Was suchst du denn?«
    »Ich weiß nicht mehr«, gab Harry zurück. »Aber wenn ich’s finde, dann weiß ich’s wieder.«
    »Viel Glück«, meinte Jake.
    Soweit er es beurteilen konnte, war es ein Wunder, dass Harry in seinem selbstgeschaffenen Papierchaos überhaupt irgendetwas fand. Doch Harry hatte ein System , wie er immer wieder versicherte. »Bitte mich jetzt nicht, es dir zu erklären, Alter«, sagte er immer, »aber es funktioniert.«
    Er war zweiundvierzig, aber die Altersfrage war für den großen Londoner mit dem ausgeprägten Akzent unerheblich. Was ihn anging, existierte er einfach – und wenn jemand diese Existenz in Jahren bemessen wollte, war das nicht sein Problem. Er gehörte auf jeden Fall zu den Leuten, die sich niemals in eine Schublade einordnen lassen. In Sandalen war er hundertachtundachtzig Zentimeter groß – Harry trug nur selten Schuhe –, und die formlosen Klamotten, die ihm um den Leib hingen, betonten noch seinen knochigen Körperbau. Normalerweise bestand sein Aufzug aus einer schmuddeligen Weste und uralten Camouflagehosen, eine Kombination, die durch seine Kappe mit der Aufschrift ICH BIN BEIM ERSTEN LONDON-MARATHON MITGELAUFEN auch nicht wirklich besser wurde. Unter dieser Kopfbedeckung, die er voller Stolz seit einem Vierteljahrhundert trug, lugten widerspenstige, fettige Strähnen seines grauen Haares hervor. Sein schmales, meist mürrisches Gesicht wurde von einer riesigen, knochigen Nase dominiert.
    »Na siehst du wohl, da ist es ja!«, rief Harry triumphierend aus. »Auf mein System ist eben Verlass.«
    Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt er ein Blatt Papier, mit dem er wedelte wie einstmals Chamberlain bei seiner Rückkehr aus München.
    »Was ist das?«
    »Eine Dieselrechnung über siebzehntausend Dollar.«
    Jake spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. »Und, was ist damit?«
    »Ich hab dem Araber gesagt, dass wir die schon bezahlt haben. Er meinte, das hätten wir nicht. Das heißt dann wohl, dass er im Recht ist und ich im Unrecht.«
    »Scheiße.«
    »M-hm«, machte Harry. Er setzte sich auf eine Ecke seines Schreibtischs und starrte aus dem einzigen Fenster des Büros auf die blinkenden Lichter der schicken neuen Yachtanlage auf der anderen Seite des Flusses. »Aber – du brauchst dir trotzdem keine Sorgen zu machen.«
    »Wir haben nicht mal siebzehn hundert Dollar, Harry«, erinnerte ihn Jake.
    »Nein«, grinste Harry und wackelte schelmisch mit dem Finger. »Aber wir haben den Treibstoff.«
    »Ja. Und der Araber hat bewaffnete Freunde.«
    »Mach dir mal keine Sorgen wegen dem Araber, mein Lieber«, tönte Harry. »Das Geschäft kommt demnächst wieder in Schwung. Das hab ich im Urin.«
    Jake trank sein Bier aus und warf die Flasche durch die Bürotür in ein altes Ölfass. »O Mann, Harry.«
    Er trat ans Fenster. Obwohl es mit jeder Minute dunkler wurde, konnte man immer noch die scharf umrissenen Silhouetten der modernen Bootshäuser, Clubs und Tauchschulen ausmachen, die auf dem gegenüberliegenden Flussufer wie über Nacht aus dem Boden geschossen waren. Daneben nahmen sich ihre eigenen Räumlichkeiten aus wie Plumpsklos. Jake konnte sich lebhaft vorstellen, wie gegenüber die Clubbesucher in ihren Blazern auf der Veranda des Flamingo Creek Yacht Club neben ihren Gattinnen standen und überlegten, wann wohl endlich die Bulldozer der Bauunternehmer anrücken würden, um diesem Elend dort drüben ein Ende zu machen. Bei dem Anblick schmeckte einem ja der Gin Tonic nicht mehr.
    »Wie war’s mit den Ernies?«, erkundigte sich Harry fröhlich. »Die waren aus Detroit, oder?«
    Harry hatte den Begriff »Ernies« für die bleichen Touristen geprägt, die nach Kenia kamen, um große Fische zu angeln.
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