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Mord in h-moll

Mord in h-moll

Titel: Mord in h-moll
Autoren: Alexander Borell
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Von dieser Zeit an mußte ich sie um etwas Taschengeld bitten, das sie mir jedesmal mit einer großzügigen Geste auf den Tisch warf.
    Das Telefon auf meinem Kassentisch riß mich aus meinen Gedanken. Es war der Alte.
    »Hallo Roeder, hat Ihnen denn Mack nicht gesagt...«
    »Doch, Herr Holsten«, sagte ich rasch. »Verzeihung, ich komme sofort.«
    Ich schob das Gitter über die Zählbretter und schloß ab. Sollte ich am besten gleich flüchten, einfach davonlaufen, irgendwohin, ein neues Leben unter einem neuen Namen beginnen?
    Sekundenlang, während ich den langen, kahlen Korridor hinabging, faszinierte mich dieser Gedanke. Ein neues Leben ohne Hilda!
    Zweimal war ich bei verschiedenen Anwälten gewesen, aber immer lautete ihre Antwort gleich:
    »Sie leben zusammen?«
    »Ja.«
    »Und Ihre Frau würde in eine konventionelle Scheidung nicht ein willigen?«
    »Nein. Sie lebt doch ganz gut von meinem Geld, und sie nimmt sich jede Freiheit.«
    »Ehebruch oder so etwas?«
    »Davon habe ich noch nie etwas bemerkt. Ich glaube, daß sie an Männern gar kein Interesse hat.«
    »Dann ist kaum was zu machen, Herr Roeder.«
    »Aber, aber es gibt doch auch so etwas wie ehewidriges Verhalten. Sie beleidigt mich, sie näht mir nicht einmal einen Knopf an, sie tut gar nichts.«
    »Ihre Frau wird vor Gericht das Gegenteil aussagen. Haben Sie Zeugen für das ehewidrige Verhalten Ihrer Frau?«
    Nein, Zeugen hatte ich eben nicht. Im Gegenteil, meine Furcht vor Blamage, meine ständige Angst vor der Lächerlichkeit hatte es ja gerade mit sich gebracht, daß man überall im Haus und in meiner Firma glaubte, ich führe eine recht gute Ehe.
    Und Hilda dachte nicht daran, sich scheiden zu lassen. Wenn ich davon anfing, lachte sie mich einfach aus.
    Meine Schritte klangen in dem langen Korridor, als ginge ich durch eine Leichenhalle.
    Herr Holsten, würde ich sagen, es war nicht richtig, was ich getan habe, und es gibt dafür auch keine Entschuldigung. Aber gar so schlimm war es auch wieder nicht. Meine Frau und ich erwarten demnächst die Auszahlung einer Erbschaft. Ein Onkel meiner Frau ist im vorigen Herbst gestorben, die Formalitäten müssen bald erledigt sein. Es sind etwas über fünftausend Mark. Davon kann ich den Schaden wieder gut machen. Das Minus in der Kasse war nie ungedeckt.
    Holstens Büro war genauso altmodisch und spartanisch einfach eingerichtet, wie unsere Büros auch. Man hatte immer den Eindruck, daß hier noch vor nicht allzulanger Zeit Stehpulte gestanden hatten.
    Friedrich Holsten saß hinter seinem kleinen Schreibtisch mit den langen, gedrechselten Beinen. Er deutete schweigend auf einen Stuhl. Meine Knie zitterten, als ich mich setzte.
    Seine farblosen Greisenaugen waren auf mich gerichtet.
    »Ich habe mit Ihnen zu sprechen.«
    Ich spürte, wie ich noch blasser wurde. Er würde mir nicht einmal Gelegenheit geben, meine Argumente vorzutragen.
    Er räusperte sich und sagte:
    »Acht Jahre lang haben Sie Ihren verantwortungsvollen Posten zu meiner Zufriedenheit ausgefüllt.«
    »Jawohl, Herr Holsten.«
    Friedrich Holsten lächelte plötzlich. Das heißt, es war nur sein Mund, der lächelte.
    »Also, lieber Roeder«, fuhr er langsam fort und trommelte dabei mit seinen knöchernen Fingern auf die zerkratzte Tischplatte. »Ich werde in Stuttgart eine Filiale eröffnen. Und ich möchte, daß Sie die Leitung übernehmen. Am l. November fangen Sie an. Der Umzug wird Ihnen bezahlt, um die Wohnung müssen Sie sich selber kümmern. Ist Ihnen nicht gut?«
    »Doch«, stammelte ich. »Doch. Es ist — nur die Überraschung.«
    Der Alte grinste.
    »Gut gelungen, was? Kein Mensch hat etwas davon geahnt. Nur Fräulein Uhlmann ist unterrichtet. Ich gebe sie Ihnen mit, sie wird die Buchhaltung und die Kasse übernehmen. Alles klar?«
    »Alles klar«, murmelte ich .»Und vielen Dank, Herr Holsten.«
    Er winkte ungeduldig ab. Das Grinsen verschwand von seinem Gesicht.
    »Und noch etwas, Roeder. Ich kenne Sie als fleißig und zuverlässig. Aber — nehmen Sie mir das bitte nicht übel — Sie sollten etwas mehr Wert auf Ihr Äußeres legen. Ihre Anzüge — wie alt sind Sie jetzt?«
    Ich fühlte, wie ich rot geworden war, schamrot. Einer unserer ewigen Streitpunkte. Hilda kaufte sich ständig neue Kleider, Pelze, Schuhe. Und ich mußte meine beiden Anzüge zum Kunststopfen bringen, wenn die Ärmel durchgescheuert waren.
    »Ach was«, hatte Hilda gesagt. »Für dein simples Büro bist du längst noch elegant genug.«
    Herr Holsten deutete
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