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Mord im Dirnenhaus

Mord im Dirnenhaus

Titel: Mord im Dirnenhaus
Autoren: Petra Schier
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Adelina im Frühjahr ihre Meisterprüfung abgelegt hatte – Neklas hatte darauf bestanden und die hohenGebühren, ohne mit der Wimper zu zucken, bezahlt –, hatte sie dem Zunftvorstand vom Zustand ihres Vaters berichtet, die Übernahme der Apotheke bekannt gegeben und um Aufnahme in die Zunft gebeten. Diese war ihr inzwischen auch bewilligt worden.
    Merkwürdig, dass ihr ausgerechnet jetzt die Sitzung der Zunftmitglieder in den Sinn kam, in der über ihre Aufnahme abgestimmt worden war. Da die anwesenden Männer und Frauen sie alle kannten, seit sie ein Kind gewesen war, hatte es keine Gegenstimmen gegeben. Alle wussten um ihre Fähigkeiten. Ihre Meisterstücke, eine komplizierte Kräuterarznei und eine Kostprobe ihres nach altem Familienrezept hergestellten Konfekts, hatten großen Beifall gefunden. Sie wollte sich damit einen Namen machen und ihr Geschäft zur besten Apotheke Kölns machen.
    Energisch richtete sie ihre Gedanken wieder auf das Hier und Jetzt. Sie eilte über den Laurenzplatz und bog dann in die Schildergasse ab. Wenige Augenblicke später stand sie vor dem Zunfthaus. Schweiß rann unter ihrer Haube hervor. Hastig wischte sie ihn mit dem Handrücken fort und klopfte an die Tür. Der Zunftmeister, Johann Leuer, öffnete ihr persönlich.
    «Frau Adelina, wie schön, Euch zu sehen. Kommt herein und erfrischt Euch …» Er kniff die Augen zusammen, was seinem faltigen Gesicht noch mehr Runzeln hinzufügte. «Ist etwas passiert?»
    «Meister Leuer, habt Ihr meinen Vater heute gesehen?»
    «Aber ja doch, er war vor nicht ganz einer Stunde hier.» Der Zunftmeister verzog besorgt den Mund und fuhr sich mit den Fingern durch das schüttere weiße Haar. «Ich habe mich noch gewundert, dass er alleinherkam, aber er schien guter Dinge und wohlauf. Er hat mir den Vertrag über den Lehrjungen zurückgebracht, der im Frühjahr zu ihm hätte kommen sollen. Nachdem Ihr die Apotheke übernommen habt, mussten wir ihn ja an einen anderen Meister vermitteln. Euer Vater bedauerte noch, dass es Euch als Frau nicht gestattet sei, Jungen auszubilden, denn Lehrmädchen für das Apothekergewerbe sind rar.»
    «Wisst Ihr, wohin er gegangen ist?», unterbrach Adelina seinen Redestrom.
    «Ist er denn noch nicht zurück? Er wollte geradewegs nach Hause gehen.» Meister Leuer wirkte nun richtig erschrocken. Ihm wurde offensichtlich erst jetzt bewusst, in welcher Klemme Adelina steckte. «Du meine Güte!», rief er. «Soll ich Euch suchen helfen? Ich könnte ein paar Burschen bitten, einen Suchtrupp zu bilden.»
    «Nein, vielen Dank», wehrte Adelina entschieden ab. «Einen Knecht und eine Magd habe ich bereits losgeschickt und werde selbst auch noch weitersuchen. Ich möchte kein großes Aufsehen. Ihr seid aber sicher, dass er sofort nach Hause gehen wollte?»
    «Ja, auf jeden Fall. Das sagte er mir.» Der Zunftmeister nickte heftig. «Ich meine auch, gesehen zu haben, dass er in Richtung Laurenzplatz gegangen ist.» Er seufzte. «Liebe Adelina, es tut mir so leid. Ich konnte ja nicht wissen … Nein, ich hätte wissen müssen …»
    «Meister Leuer!» Adelina schnitt ihm mit einer ungeduldigen Handbewegung das Wort ab. «Es ist ja nicht Eure Schuld. Vielleicht ist er in einer Schänke oder Garküche eingekehrt.» Und hat noch nicht einmal Geld dabei, um seine Zeche zu zahlen, schoss es ihr durch den Kopf. «Ich laufe zurück und frage bei den Tavernen am Laurenzplatz nach.» Sie wandte sich zumGehen, drehte sich aber noch einmal kurz um. «Danke für Euer Angebot, uns zu helfen.»
    «Gebt mir Nachricht, wenn Ihr ihn gefunden habt!», rief Meister Leuer ihr noch hinterher.
    Sie rannte beinahe bis zur Einmündung am Laurenzplatz. Die Sonne stach vom Himmel und ließ die Luft flirren. Der Schweiß hatte mittlerweile ihr Kleid am Kragen durchnässt, und ihre Haube klebte ihr feucht ums Gesicht.
    Unentschlossen blickte sie über den Laurenzplatz. In welche Richtung sollte sie sich nun wenden? Wo mochte ihr Vater in einem Anfall von Verwirrung hingegangen sein?
    «Platz da!», brüllte plötzlich eine harsche Stimme hinter ihr. Sie fuhr erschrocken herum und sah mehrere bewaffnete Berittene in den Uniformen der Stadtsoldaten auf sich zukommen. Mit einem Satz brachte sie sich in Sicherheit vor den klappernden Hufen der Streitrosse. Dennoch traf sie einer der Soldaten schmerzhaft mit seinem Stiefel an der Schulter.
    «Dummes Weibsbild!», schimpfte er, blickte sich jedoch nicht einmal mehr nach ihr um. Adelina rieb sich die geschundene
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