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Mord im Dirnenhaus

Mord im Dirnenhaus

Titel: Mord im Dirnenhaus
Autoren: Petra Schier
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der Menge der Käufer, die sich zwischen den Marktbuden drängten, verschwand.
    «Wenn er wieder im Lande ist», murmelte sie vor sich hin und seufzte. Die beinahe sechs Wochen, die Neklas nun schon fort war, kamen ihr wie Monate vor. Allmählichmachte sie sich Sorgen, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte. Schließlich hörte man immer wieder von Wegelagerern und Räuberbanden, die selbst große Handelskarawanen überfielen. Einer solchen hatte er sich Anfang August angeschlossen, nachdem ein Bote ihm die Nachricht überbracht hatte, dass seine Mutter schwer erkrankt sei, vermutlich sogar auf dem Totenbett liege und ihren jüngsten Sohn noch einmal sehen wolle. Adelina rieb sich über die Stirn. Sie selbst hatte Neklas ermutigt, so rasch wie möglich zu reisen, wusste sie doch nur zu genau, wie es war, die Mutter zu verlieren. Doch nun …
    Entschlossen griff sie in eines der Regale und nahm ein Kästchen heraus, das mehrere kleine, furchtbar teure Glasfläschchen mit Duftessenzen enthielt, die alle säuberlich in Wachstuchbeutelchen genäht waren. Eine Lieferung für Ida vom Stein, eine reiche Patrizierin, die in der Nähe des Neumarkts wohnte.
    Es war erst kurz nach Mittag, also Zeit genug, die Ware dort abzuliefern und dann einen Umweg über den Heumarkt zu machen und nach Hilka oder Eva Ausschau zu halten. Die beiden Frauen versorgten sie regelmäßig mit frischen Kräutern und Wurzeln aus den Feldern vor und den Wäldern hinter den Stadttoren.
    Doch wen sollte sie mitnehmen? Allein konnte sie nicht ausgehen. Nicht nur, weil es sich für eine verheiratete Frau nicht schickte, sondern vor allem, weil die Straßen nach den Unruhen der vergangenen Monate ziemlich unsicher geworden waren. Nachdem sich die Gaffeln, wie sich die Kölner Zünfte nannten, über die im Rat vorherrschenden Patrizier erhoben und diese gewaltsam gestürzt hatten, trieben sich noch immer etliche Soldaten und Kriegsknechte herum, die nachdem Rückzug vieler Adels- und Patrizierfamilien nach Bonn arbeitslos geworden waren und ihre Langeweile in Bier ersäuften, Wirtshausprügeleien anzettelten und ehrbaren Frauen auflauerten.
    Sie entschied sich für Magda, eine ruhige ältliche Magd, deren zahllose Lachfältchen um Mund und Augen von ihrer angeborenen Heiterkeit zeugten.
    Trotz der Hitze hüllte sich Magda, bevor sie das Haus verließ, ein adrettes weißes Tuch fest um den Kopf. Sie nahm Adelina das Kästchen mit den teuren Duftölen ab und lief immer einen Schritt hinter ihr. Adelina blieb stehen.
    «Magda, wie oft soll ich dir noch sagen, dass du neben mir gehen sollst? Ich kann mich doch unmöglich mit dir unterhalten, wenn du ständig hinter mir her läufst.»
    «Aber es schickt sich nicht, dass die Magd neben der Herrin geht», protestierte Magda.
    «Dennoch erlaube ich es dir. Der Weg zum Neumarkt ist weit, und eine Unterhaltung käme mir sehr gelegen.»
    Zögernd schloss Magda daraufhin zu ihr auf, und Adelina begann über allgemeine Dinge des Haushalts zu plaudern. Sie gab es ungern zu, aber auf diese Weise konnte sie sich für eine Weile von den Gedanken ablenken, die sie belasteten. Sie vermisste Neklas und sorgte sich um seine wohlbehaltene Rückkehr. Aber das war nicht ihr einziges Problem. Sie war nun schon beinahe ein dreiviertel Jahr verheiratet und noch immer nicht schwanger. Niemals hätte sie gedacht, dass sie sich das jemals wieder wünschen würde. Nicht, nachdem sie vor Jahren heimlich ein Kind abgetrieben hatte, weil ihr Bräutigam sie hatte sitzenlassen. Niemand wusstedavon. Nicht einmal ihr Vater. Nur Neklas hatte sie es erzählt. Und nun wollte sie so gerne sein Kind unter dem Herzen tragen. Kurz vor seiner Abreise hatte sie gedacht, es sei so weit, und hatte sich darauf gefreut, ihm bei seiner Rückkehr die frohe Botschaft verkünden zu können, doch dann hatte sich herausgestellt, dass ihre morgendliche Übelkeit von einer Magenverstimmung herrührte, von der nach und nach der gesamte Haushalt befallen worden war.
    Nun sorgte sie sich, dass die frühere Abtreibung vielleicht der Grund sein könnte, warum sie bisher noch nicht empfangen hatte, vielleicht niemals empfangen würde. Zwar hatte Ludmilla, die Weise Frau, bei der sie seinerzeit gewesen war, behauptet, sie sei wieder vollständig genesen. Aber konnte nicht auch eine Weise Frau einmal irren? Und was wäre dann? Wäre Neklas von ihr enttäuscht? Manchmal, in den einsamen Nächten, wenn sie nach der leeren und kalten Betthälfte tastete, malte sie sich aus,
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