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Mord am Oxford-Kanal

Mord am Oxford-Kanal

Titel: Mord am Oxford-Kanal
Autoren: Colin Dexter
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kennen, um das festzustellen», entgegnete Morse.
    «Würden Sie sagen, daß Sie ihn gut kennen?» fragte Lewis.
    Morse schüttelte den Kopf. Die
beiden Männer schwiegen.
    «Übrigens, Sir, wie geht es
Ihnen eigentlich? Was haben die Ärzte denn inzwischen festgestellt?»
    «Festgestellt? Nichts haben sie
festgestellt. Ein klarer Fall von Personenverwechslung.»
    Lewis griente. «Also jetzt mal
im Ernst!»
    «Im Ernst? Nun, sie geben mir
nur riesige, runde, weiße Tabletten, die pro Stück ein paar Pfund kosten — das
behaupten jedenfalls die Schwestern. Wenn ich mir vorstelle, daß ich für den
Preis einer Tablette schon eine kleine Flasche recht anständigen Clarets
bekommen könnte...»
    «Wie ist denn das Essen hier?
Einigermaßen schmackhaft?»
    «Essen! Was für Essen? Das
einzige, was sie mir hier zu schlucken geben, sind die Tabletten.»
    «Also auch kein Alkohol?»
    «Sie wollen doch nicht meinen
Gesundungsprozeß gefährden, Lewis, oder?»
    Lewis starrte auf das kleine
Schild am Kopfende von Morses Bett. «Das ist also damit gemeint», sagte er
nachdenklich.
    «Ach, das dürfen Sie nicht so
wörtlich nehmen, eine reine Vorsichtsmaßnahme», sagte Morse mit schlecht
gespielter Gleichgültigkeit.
    Lewis warf einen bedauernden
Blick auf seine Plastiktragetasche.
    Morse war der Blick nicht
entgangen. «Nun, kommen Sie schon, Lewis. Was haben Sie da drin?»
    Lewis griff in die Tüte und
holte eine Flasche Limonade hervor. Zu seiner Überraschung schien Morse ehrlich
erfreut.
    «Es ist nämlich so... Meine
Frau meinte, daß Sie bestimmt nichts Alkoholisches würden trinken dürfen...»
    «Eine sehr kluge Überlegung!
Sagen Sie ihr, daß mir, so wie die Dinge nun einmal liegen, eine Flasche
Limonade tausendmal lieber ist als eine ganze Kiste Whisky.»
    «Ist das Ihr Ernst?» fragte
Lewis ungläubig.
    «Nein, aber richten Sie es ihr
trotzdem aus.»
    «Und dann habe ich hier noch
ein Buch», sagte Lewis und zog einen dicken Schinken heraus mit dem Titel: Maßstab
der Ungerechtigkeit: Eine vergleichende Studie über Verbrechen und ihre
Bestrafung, durchgeführt anhand von Akten der Grafschaft Shropshire aus den
Jahren 1842 bis 1852.
    Morse nahm den Wälzer und
überflog den ermüdend langen Titel ohne Zeichen der Begeisterung. «Hm», sagte
er schließlich. «Macht einen ganz interessanten Eindruck.»
    «Wirklich, Sir?» erkundigte
sich Lewis eifrig.
    «Nein.»
    «Es ist eine Art
Familienerbstück, und meine Frau meinte...»
    «Sagen Sie Ihrer wundervollen
Frau, daß ich mich sehr gefreut habe.»
    «Sie täten mir einen großen
Gefallen, wenn Sie es bei Ihrer Entlassung in der Krankenhausbibliothek abgeben
könnten», sagte Lewis und registrierte befriedigt, daß Morses Mund sich zu
einem breiten Grinsen verzog.
    In diesem Augenblick trat die
hübsche Schwester mit den Sommersprossen und dem rotbraunen Haar an sein Bett,
wies auf die Limonadenflasche, die er auf dem Nachttisch abgestellt hatte, und
drohte ihm mit dem Zeigefinger. Morse nickte und formte ein stummes O. K. «Wer
war das?» flüsterte Lewis andächtig, als sie weiterging.
    «Das, Lewis, war Fiona.
Attraktiv, finden Sie nicht auch? Ich frage mich manchmal, wie es die Ärzte
bloß schaffen, die Hände von ihr zu lassen!»
    «Vielleicht schaffen sie es ja
gar nicht», bemerkte Lewis nüchtern.
    «Ich dachte, Sie seien
gekommen, mich aufzuheitern.»
    Doch die Chancen für
Aufheiterungen jeder Art standen schlecht. Die Oberschwester (die Lewis beim
Hereinkommen nur flüchtig wahrgenommen hatte, da er, in der Annahme, dies sei
hier so üblich, gleich durchmarschiert war) hatte die ganze Zeit über mit Argusaugen
über den Krankensaal gewacht, ihre besondere Aufmerksamkeit hatte jedoch der
Ecke gegolten, wo der Chief Inspector lag. Von ihrem Schreibtisch bis zu seinem
Bett waren es nur ein paar Meter, und mit ein paar raschen, energischen
Schritten stand sie plötzlich an seiner Seite. Während sie mit geübtem Griff
die anstößige Flasche an sich nahm, streifte ihr Blick den armen Lewis, der vor
soviel Zorn unwillkürlich den Kopf einzog.
    «Wir haben unsere Vorschriften
in diesem Krankenhaus — die Hausordnung hängt gleich rechts neben der Tür zum
Saal. Ich fände es sehr begrüßenswert, wenn Sie sich danach richten würden, und
falls Sie vorhaben, den Patienten noch einmal zu besuchen, sich vorher bei mir
oder bei meiner Vertretung melden. Es ist absolut notwendig, daß hier alles
seinen geregelten Gang geht, und ich muß Sie dringend bitten, dafür
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