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Monströse Welten 1: Gras

Monströse Welten 1: Gras

Titel: Monströse Welten 1: Gras
Autoren: Sheri S. Tepper
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kommen.

 
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    Bei den bon Damfels machte das Bonmot die Runde, daß immer, wenn die Jagd von der Estancia der bon Damfels’ ausgerichtet wurde, Kaiserwetter herrsche. Die Familie betrachtete das als ihr persönliches Verdienst, obwohl dieser Umstand wohl eher der Jagd-Rotation zugeschrieben werden mußte, aufgrund derer die Jagd immer im Frühherbst von den bon Damfels’ ausgerichtet wurde. Zu dieser Jahreszeit war das Wetter in der Regel sehr gut. Und zu Beginn des Frühjahrs natürlich auch, wenn die Familie aufgrund des Rotationsprinzips erneut als Veranstalter der Jagd fungierte.
    Stavenger, Obermun bon Damfels, war einmal von einem Würdenträger aus Semling – der in Stavengers Augen eine Autorität auf dem Gebiet der brotlosen Künste war – darüber in Kenntnis gesetzt worden, daß die Fuchsjagd eigentlich ein Wintersport sei.
    Stavengers Replik war charakteristisch für ihn im besonderen und die Aristokratie im allgemeinen. »Hier auf Gras«, hatte er entgegnet, »machen wir es so, wie es sich schickt. Im Frühjahr und im Herbst.«
    Der Besucher hatte so viel Gespür bewiesen, sich nicht weiter über das auf Gras geltende Reglement dieser Sportart auszulassen. Er hatte sich jedoch viele Notizen gemacht, und nach der Rückkehr nach Semling hatte er eine Monographie verfaßt, in der die auf Gras gültigen Regeln dem historischen Prozedere gegenübergestellt wurden. Von der ursprünglichen Auflage in Höhe von einem Dutzend Exemplaren war nur noch ein Buch erhalten. Es verstaubte irgendwo im Apparat des Fachbereichs für Komparative Anthropologie der Universität von Semling in Semling Prime.
    Seitdem war ein halbes Menschenalter verstrichen. Mittlerweile erinnerte nicht einmal mehr der Autor selbst sich an jenes Buch, und Stavenger bon Damfels hatte es ohnehin längst vergessen. Auf die Einlassungen von Fremden reagierte Stavenger grundsätzlich nur mit Unverständnis und Geringschätzung, und man hätte es dem Burschen von vornherein verwehren müssen, an der Jagd teilzunehmen. Mehr hatten die bon Damfels zu diesem Thema nicht zu sagen.
    Die Estancia der bon Damfels’ hieß Klive, nach einem verehrten Vorfahren mütterlicherseits. Die bon Damfels behaupteten, daß die Gärten als eines der siebzig Wunder des Überall galten. Snipopean – der große Snipopean – hatte das nämlich niedergeschrieben, und besagtes Buch befand sich in der Bibliothek der Estancia, dieser großen und hohen Halle, in der es nach Leder und Papier und den Chemikalien roch, mit denen die Bibliothekare die Bücher konservierten. Kein Angehöriger der heutigen bon Damfels-Generationen hatte das Werk gelesen oder wäre auch nur in der Lage gewesen, das Buch unter all diesen Bänden zu finden, von denen die meisten noch völlig unberührt waren. Weshalb sollten sie auch über die Grasgärten von Klive lesen, wo sie doch inmitten dieser Gärten lebten?
    In diesem Teil der Grasgärten, der auch die Bezeichnung Erste Fläche trug, wurden die Jagden immer zusammengestellt. Als Gastgeber war Stavenger bon Damfels zugleich auch der Jägermeister. Vor seiner ersten Jagd in der Herbstsaison – und vor seiner ersten Jagd überhaupt – hatte er drei Angehörige der großen und weitverzweigten Sippe als Jäger sowie Ersten und Zweiten Treiber verpflichtet. Dem Jäger hatte er das Horn der bon Damfels’ anvertraut, ein kunstvoll graviertes Instrument, dem nur leise, aber silberhelle Töne zu entlocken waren. Den Treibern hatte er die Peitschen übergeben – winzige, fragile Objekte, bei denen man aufpassen mußte, daß sie nicht zerbrachen; im Grunde handelte es sich bei ihnen nur um Schmuckstücke, wie Tapferkeitsmedaillen, die nicht den geringsten Nutzwert aufwiesen. Niemand hätte es gewagt, sie gegen einen Hund oder ein Reittier einzusetzen; genausowenig, wie man, außer bei rituellen Rufen und am Ende der Jagd, unmittelbar am Ohr eines Reittiers oder gar in Hörweite anderer Menschen ins Horn gestoßen hätte. Niemand interessierte sich für die traditionellen beziehungsweise aktuellen Gebräuche, die von anderen gepflegt wurden. Was die bons betraf, so existierten diese ›anderen‹ ohnehin nicht mehr, seit ihre Vorfahren sie verlassen hatten.
    An diesem ersten Tag der Herbstjagd stand Diamante bon Damfels, Stavengers jüngste Tochter, auf der Ersten Fläche, inmitten der sich zögerlich sammelnden
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