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Monster (German Edition)

Monster (German Edition)

Titel: Monster (German Edition)
Autoren: Benjamin Maack
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darf, würde ich erst mal meine Sachen aus dem Auto holen.«
    »Hey, alter ... Kumpel. Mi casa ... es su casa, ... eh? Wenn du ... willst, kannst du nachher ... sogar ’ne Runde in meinem ... Rolls drehen.« Stephan lässt seinen Rollstuhl vor- und zurückzucken.
    Am Abend zuvor hatte Benjamin sein Auto unten am Straßenrand geparkt. Irgendwie konnte er den Weg zu diesem dunklen, grauen Umriss zwischen den Bäumen nicht hochfahren. Er ging die Auffahrt hoch. Kies, kalkweiß lag der im Mondlicht, knirschte unter seinen Sohlen. Die Fenster waren schwarze Quadrate in einer flachen Hauskulisse. Als würde direkt hinter ihnen das Nichts anfangen, das Benjamin hier erwartete. Ja, er hatte die Briefe von Kathrin bekommen, die Fotos vom Haus, von den Bergen und dem Dorf. Die Weihnachtspostkarten. Aber er hatte das alles nie ernst genommen. Für ihn waren Stephan und Kathrin zwar weg aus der Stadt, aber nie woanders angekommen. Sie waren einfach weg. Als Benjamin den Klingelknopf drückte, rechnete er nicht damit, dass Kathrin ihm die Tür aufmachen würde. Irgendjemand, klar. Eine uralte Frau, die einen müden Fremden hereinbitten und ihm eine dick geschnittene Scheibe Bauernbrot mit selbst eingekochter Marmelade schmieren würde, bevor er sich wieder auf den Weg machte. Oder ein Mann mit einer Flinte im Anschlag. Bis er ihre Stimme hörte, hatte er gedacht, dieses Haus könne jedem gehören, aber nicht Kathrin und Stephan. Bis sie die Tür öffnete, hatte er nicht ausgeschlossen, dass seine älteste Freundin sich einfach in Luft aufgelöst hatte. Dann öffnete Kathrin die Tür und sah aus wie Kathrin, redete wie sie. Das ganze Haus roch nach ihr.
    Benjamin öffnet den Kofferraum und macht vor Schreck einen taumelnden Schritt rückwärts, rutscht fast auf dem Kies aus. Große Murmelaugen, schwarze Pupillen mit einem dünnen bernsteingelben Ring darum, zwei Sonnenfinsternisse in einem Nest aus Federn. Aus dem schummrigen Dämmer seines Kofferraums schaut sie ihn an. Einfach so, als hätte sie die ganze Zeit gelauert, als hätte sie nur auf diesen Moment gewartet. Neben seiner geräumigen Sporttasche liegt die Eule und sieht mit starrem Blick zu ihm hoch. Er schnappt sich die Tasche und schlägt den Kofferraum viel zu heftig zu. Als er zurück zum Haus geht, sieht er Stephans Gesicht im Wohnzimmerfenster.
    »Was hast ... du denn da ... aufgeführt? Hat sich eine ... Leiche in deinem Kofferraum ... versteckt?«
    »Nein, ich hatte nur einen Wadenkrampf. Auf deiner steinharten Matratze schläft man ja wie auf einer Grabplatte«, lügt Benjamin und schämt sich im nächsten Moment für die Grabplatte.
     
    Als Stephan noch Benjamins Mitbewohner war, hasste er ihn. Das wusste er da aber noch nicht. Er dachte, Stephan würde ihn ein bisschen nerven, wie einem jeder, den man gut kennt, auch ein wenig auf den Geist geht, dachte er damals. Ein paar Angewohnheiten und nur ein bisschen. Unwichtig. Kleinigkeiten. Ganz normal, dachte er. Aber das war Quatsch. Hätte Benjamin darüber nachgedacht, er hätte schon damals ganz genau gewusst, was er an Stephan hasste. Er hätte eine Liste machen können:
    – Er hasste, dass Stephan ständig irgendwas zu erledigen hatte.
    – Er hasste diese bestimmte Art von unverkrampfter Ernsthaftigkeit, die sein Mitbewohner bei allem, was er anfing, an den Tag legte.
    – Er hasste, dass Stephan neben seinem Jurastudium in einer Anwaltskanzlei jobbte, eine stupide Arbeit, bei der er sich durch riesige Archive bibelseitiger Folianten wühlen musste. Und dass er auch das auf diese unverkrampfte Art ernst nahm.
    – Er hasste, dass sein Mitbewohner trotzdem mit dem Enthusiasmus geistig Behinderter von Nachbarschaftsstreitigkeiten und Klagen wegen Körperverletzung reden konnte.
    – Er hasste überhaupt, wie begeistert Stephan sein konnte.
    – Und wie leicht alles bei ihm aussah.
    – Selbst das Ausgehen schien für Stephan eine ernste Angelegenheit zu sein. Er hielt immer am längsten durch und trank mit mildem Blick, bis kein anderer mehr konnte. Am nächsten Morgen, wenn Benjamin sich noch immer betrunken zum Klo schleppte, saß er schon wieder in der Küche und blätterte durch irgendeine überregionale Tageszeitung.
    – Aber am meisten hasste Benjamin, dass alles, was Stephan machte, so vernünftig und folgerichtig erschien. Oder wenigstens fast alles.
    Denn dann gab es da noch diese anderen Tage. An denen fand Benjamin seinen Mitbewohner heulend auf dem Badezimmerboden.
    Dann jammerte Stephan, dass
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