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Monster (German Edition)

Monster (German Edition)

Titel: Monster (German Edition)
Autoren: Benjamin Maack
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Obergeschoss mit dunklem Holz verkleidet, ein breiter Balkon. Unter dem schweren Schieferdach beugt es sich in die Vegetation, verläuft an seinen Rändern mit der Umgebung, mehr Schmutzfleck als Gebäude. Dafür sehen die Wolken aus wie Felsen. Scharfe Schatten, schartige Spalten. Bedrohliche Umrisse im Himmel. Wie ein Meteoritenschwarm, ein paar hundert Meter vor dem Einschlag auf der Erde, ein Blinzeln davon entfernt, alles irdische Leben auszulöschen.
    »Du malst immer noch«, sagt Benjamin. Das Aquarell hängt über dem Küchentisch, ein Bild in einem alten Rahmen aus sehr dunklem Holz. Kathrin macht Frühstück. Sie kocht Kaffee, presst Orangen, schneidet grüne und rote Paprika in Streifen, legt Wurst- und Käsescheiben fächerförmig auf einen Teller. Dann holt sie Blister und Gläschen mit Tabletten aus dem Seitenfach der Kühlschranktür und lässt Pillen und Kapseln in die Waben einer cremeweißen Plastikdose klackern. Sie schaut auf ihr Werk und greift sich noch eine Paprika.
    »Nein, eigentlich nicht. Ist das einzige Bild, das ich hier gemalt habe. Ganz am Anfang, als wir hergekommen sind. Als es Stephan noch besserging.«
    Kathrin spült ihre Paprikahände unter dem Wasserhahn ab, stellt Teller und Tassen auf den Frühstückstisch. Sie sieht gut aus in dem Sonnenlichtstreifen, der durch die Verandatür fällt. Viel besser als gestern Abend.
    »Du könntest mal wieder was malen«, sagt er, »solange ich hier bin. Ich würde in der Zeit auf Stephan, na ja, aufpassen. Wenn ich das kann.«
    »Guten Morgen, Hase. Oder ... sollte ich sagen ... ihr Hasen? Ich sehe, du ... hattest jemanden über ... Nacht da.« Stephans Stimme klingt, als müsste sein Adamsapfel für jede Silbe ein Tonnengewicht stemmen, zwischen den Satzfetzen schnappt er nach Luft. Sein Kopf wird von einer Nackenstütze aus blankem Metall gehalten. Er muss die Augen etwas nach oben verdrehen, um Benjamin anzusehen. Das gibt seinem Blick etwas Verschlagenes, Tierhaftes.
    »Lass nur, ich hab alles weggeworfen«, sagt Kathrin in Benjamins Richtung. Sie wischt sich die Hände an einem Geschirrtuch ab, geht zu Stephan, nimmt seinen Kopf zwischen ihre Handflächen und küsst seine Stirn.
    »Du bist hier der einzige Hase, und jetzt sei brav und hoppel an den Tisch.« Der elektrische Rollstuhl surrt durch die Küche. Benjamin ist nicht sicher, ob er aufstehen soll, beugt sich unschlüssig vor.
    »Ich bleib sitzen ... wenn ... du es auch machst«, sagt Stephan. »Wie geht es dir, ... Mann. Wir haben uns ewig ... nicht mehr gesehen. Eigentlich, seit wir ... aus der Stadt ... weg sind, du ... treulose Tomate.«
    »Ich ...«
    »Du siehst gut aus. Na ja, auf jeden ... Fall besser als ich. Oder sagen wir mal, besser ... auf den Beinen.«
    Kathrin gießt Kaffee ein, stopft Stephan ein Geschirrtuch in den Pullikragen.
    »Du bist auch wie so ein sturer Hundertjähriger. Da haben wir mal Besuch, und du musst erst deine doofen Zeichentrickserien gucken. Schinken oder Pute?«
    »Schinken.«
    Sie belegt eine Scheibe Brot, schneidet sie in briefmarkengroße Rechtecke und beginnt, Stephan die Stücke in den Mund zu stecken. Zuerst bewegt der seine dürren Arme noch so, als wolle er das selbst machen, doch seine Bemühungen sind nur ein schwacher Schatten hinter Kathrins routinierten Handgriffen. Schwer atmend kaut er das Brot.
    »Sieh mich an, ... alter Kumpel ... Fernsehen ist alles, ... was mir geblieben ist«, keucht Stephan theatralisch, und Benjamin erkennt den Stephan, der früher einmal sein Mitbewohner war. Er muss lachen.
    Kathrin und Stephan gucken ihn an, als wäre er eben erst in den Raum gekommen.
    »Ergötzt du dich ... etwa an unserem Leid?«, fragt Stephan. Er schielt Benjamin jetzt ganz ernst ins Gesicht. Ein glänzender Brotkrümel klebt in seinem Mundwinkel.
    »Hör nicht auf ihn«, sagt Kathrin, »er macht nur blöde Witze. Na ja, streng genommen, macht er ziemlich häufig ganz gute. Der hier war jetzt blöd. Weißt du schon, was du heute machen willst?«
    »Keine Ahnung«, sagt Stephan, jetzt mit einem schmalen Lächeln im Gesicht. »Ich denke«, sagt er, »ich gehe eine Stunde ... joggen, danach ... raus in den Garten, ... holzhacken und später ...«
    Kathrin wirft ihm einen Blick zu, der ihn scherzhaft nach Atem ringen lässt.
    »Nicht den ... Todesblick, dunkle ... Imperatorin. Ich füge mich ... Ihrer Macht.«
    Kathrin lacht und rollt übertrieben die Augen.
    »Also, Benjamin, was hast du vor?«
    »Wenn ich echt ein paar Tage bleiben
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