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Mondsplitter

Mondsplitter

Titel: Mondsplitter
Autoren: Jack McDevitt
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war noch keine vierzig, zu jung für einen ernsthaften Präsidentschaftskandidaten. Das Fehlen einer Ehefrau erregte Anstoß bei denen, die auf die Werte der Familie schworen, eine Personengruppe, die im politischen Leben Amerikas zunehmend an Einfluß gewonnen hatte. Obendrein hatte man Charlie in der Regierung Kolladners kaum Wichtiges zu tun gegeben, und der Präsident hatte nicht immer damit hinter dem Berg gehalten, daß er »ältere, klügere Köpfe« bevorzugte.
    »Sobald du mit deinen Ausführungen fertig bist«, sagte Rick ernst, »werden die Medienleute über Politik reden wollen. Laß dich da nicht hineinziehen! Die Mondbasis ist ein besonderer Ort. Über Politik erhaben. Sprich über die Sterne, Charlie. Wohin wir gehen. Über das Tor zur Zukunft. So was in der Art. Alles andere ist trivial.«
    Eins mußte man Rick lassen: Er war der einzige, den Charlie jemals aus rein politischen Gründen in sein Amt gehoben hatte und der wirklich sein Geld wert war. Sein vollständiger Name lautete Richard Daley Hailey, und er war der Sohn eines Chicagoer Stadtrates mit besonders guten Beziehungen. Er hatte als Redenschreiber draußen in Illinois angefangen und dann ein natürliches Talent für die Organisation von Wahlkämpfen demonstriert. Ihm hielt man den Sieg zugute, den Mike Crest gegen alle Umfragen in den letzten Gouverneurswahlen von Illinois errungen hatte.
    Rick wußte, was Charlies Ansehen bekömmlich war, was die Wähler wünschten und welches die wirklich emotionsbeladenen Themen waren. (Die Wähler denken immer, daß Politiker einfach nicht über wichtige Dinge reden. Manchmal stimmt das, aber häufiger haben die Politiker selbst keine Ahnung. In der dünnen Luft der Bundeshauptstadt fällt es oft schwer, sich vorzustellen, was Leute bewegt, die selbst in Supermärkten einkaufen gehen müssen.)
    Während sie sich unterhielten, Kaffee tranken und Mondkuchen kauten (Hefe, die sich als Schokoladenkuchen tarnte), blickte Charlie zu einem Wandmonitor hinauf. Ein exotischer Wald wogte unter einer Kamera. Ein Planet mit einem Ring schwebte im Hintergrund, und ein Fluß funkelte in bläulichem Licht, bevor er unter einem dichten Teppich aus Purpurbäumen verschwand. »Du hast recht, Rick«, sagte er. »Absolut. An einem Ort wie diesem wirkt Politik einfach nur häßlich.«
    Rick musterte ihn über den Rand seiner Tasse hinweg. »Aber du darfst nicht vergessen, daß das alles nur Scheiße ist«, sagte der Wahlkampfmanager. »Die Action findet unten in D.C. statt. Wird immer so sein, solange wir leben, und das ist alles, was zählt. Aber ich denke, falls wir die Sache richtig schaukeln, haben wir einen großen Schritt in Richtung auf deine Kandidatur geschafft.« Er verdrückte seinen restlichen Kuchen. »Schmeckt gar nicht schlecht«, meinte er.
    Er hatte recht. Der Kuchen kam dicht an echte Schokolade heran.
    Charlie blickte wieder zum Monitor hinauf. Die Kamera war in rasender Fahrt auf offenes Meer hinausgeschwenkt, und eine zweite Welt, silbern und nebelig, stieg aus dem Wasser auf. Und es war keine Scheiße. Während des Anflugs mit dem Shuttle hatte Charlie auf die Ansammlung tapferer Lichter neben dem Zentrum des Kraters Alphonsus heruntergeblickt. Bei diesem Blick auf die Mondbasis hatte er intensivere Gefühle empfunden als an irgendeinem anderen Ort, den er im Laufe seines reiselustigen Lebens besucht hatte. Einige Menschen waren hergekommen und hatten von einer religiösen Erfahrung gesprochen, einem Gefühl von der Macht und Majestät des Schöpfers. Charlie hatte vielmehr eine rückhaltlose Neutralität empfunden, eine Zeitlosigkeit, eine unendliche Gleichgültigkeit gegenüber allem Menschlichen. Es war ein Ort, für den er psychisch nicht geschaffen war. Die steinharte Leere, das Fehlen lebender Wesen, die extremen Temperaturen – all das verdeutlichte ihm die Tatsache, daß er ein Eindringling war.
    Hier hatte alles schon genauso ausgesehen, als die ersten Urtierchen in den Ozeanen der Erde herumschwammen. Der Ort war übergossen vom weichen Licht der reglosen Heimatwelt. In grauer Vorzeit hätte man auf dem Verwitterungsboden stehen und dieselbe Welt an derselben Stelle des Himmels schweben sehen können, alle Landmassen noch zu einem einzelnen Superkontinent zusammengedrängt. Charlie erinnerte sich, daß er einmal den Namen des Superkontinents gelesen hatte, aber er fiel ihm nicht mehr ein. Gondwanaland. Etwas in dieser Art.
    Aus eigenem Antrieb wäre er nie hergekommen. Er hatte die ganzen
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