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Mondspiel: Novelle (German Edition)

Mondspiel: Novelle (German Edition)

Titel: Mondspiel: Novelle (German Edition)
Autoren: Christine Feehan
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Wegbiegung und gerieten auf dem unebenen Untergrund ins Stolpern. Der kärgliche Lichtschein, den Trevors Taschenlampe auf den Boden vor ihnen warf, diente nur dazu, den Wald noch dunkler und erschreckender wirken zu lassen. »Bist du sicher, dass du den Weg weißt, Jess? Du bist seit Jahren nicht mehr hier gewesen«, sagte er.
    »Diesen Weg finde ich mit geschlossenen Augen«, beteuerte ihm Jessica. Das entsprach jedoch nicht ganz der Wahrheit. Früher war der Weg sehr gepflegt gewesen und hatte in einem Bogen zur Klippe geführt. Dieser Weg hier war überwuchert und führte durch den dichtesten Teil des Waldes stetig bergauf zum Inneren der Insel. »Wenn du bewusst darauf achtest, kannst du das Rauschen links von uns hören. Im Moment führt der Bach viel Wasser, aber im Sommer ist die Strömung nicht so stark und er ist auch nicht so tief. Am Ufer wachsen überall Farnsträucher.« Sie wollte weiterreden, weil sie hoffte, ihre eigene Furcht dadurch in Schach zu halten.
    Alle drei atmeten schwer von den Anstrengungen des Aufstiegs. Unter einem Baum mit einer besonders ausladenden Krone, die ihnen einen gewissen Schutz vor dem strömenden Regen bot, blieben sie stehen, um Luft zu holen. Trevor ließ den Lichtschein an dem massiven Stamm zu dem Baldachin hinaufgleiten und beschrieb dort Muster aus Licht, um Tara aufzumuntern. Als er den Strahl wieder an dem Stamm hinabsausen ließ, fiel der kleine Lichtkreis nicht weit von ihnen auf den Boden.
    Jessica zuckte zusammen und presste sich eine Faust auf den Mund, um nicht aufzuschreien. Im nächsten Moment riss sie Trevor die Taschenlampe aus der Hand und richtete sie wieder auf die Stelle, die er versehentlich angestrahlt
hatte. Einen entsetzlichen Moment lang bekam sie kaum Luft. Sie war sicher, dass sie jemanden gesehen hatte, der sie anstarrte. Jemanden in einem langen schwarzen Umhang mit schwerer Kapuze. Der Umhang wirbelte um die schemenhafte Gestalt herum, als handelte es sich um einen Vampir aus einem der Filme, die sich die Zwillinge dauernd ansahen. Wer auch immer es war – er hatte sie böse angestarrt und etwas in den Händen gehalten, das im Lichtschein gefunkelt hatte.
    Ihre Hand zitterte heftig, doch es gelang ihr, die Stelle, an der er gestanden hatte, mit dem kleinen Lichtkegel zu finden. Sie war leer. Dort war nichts, keine Menschen und auch keine Vampire in wallenden Kapuzenumhängen. Sie setzte ihre Suche zwischen den Bäumen fort, aber vergeblich.
    Trevor umfasste ihr Handgelenk, zog ihre Hand behutsam näher und nahm die Taschenlampe wieder an sich. »Was hast du gesehen, Jess?« Seine Stimme klang ruhig.
    Sie sah die beiden an und schämte sich für die nackte Panik, die sie ihr angemerkt hatten, und auch dafür, dass die Insel sie wieder zu dem zu Tode verängstigten Teenager machte, der sie einst gewesen war. Sie hatte sich so viel erhofft: alle zusammenzuführen und eine Möglichkeit zu finden, Dillon wieder in die Welt zurückzuholen. Stattdessen halluzinierte sie. Diese schemenhafte Gestalt gehörte in ihre Alpträume und nicht in ein fürchterliches Unwetter.
    Die Zwillinge blickten erwartungsvoll zu ihr auf. Jessica schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, vielleicht einen Schatten. Lasst uns sehen, dass wir schleunigst das Haus erreichen.« Sie schob sie vor sich her und versuchte ihnen Rückendeckung zu geben und zu sehen, was sich vor und neben ihnen befand.
    Mit jedem Schritt, den sie machte, wuchs ihre Überzeugung, dass sie keinen Schatten gesehen hatte. Sie hatte keine Halluzinationen gehabt. Sie war ganz sicher, dass irgendetwas , sie beobachtet hatte. »Beeil dich, Trevor, ich friere«, drängte sie ihn.
    Als sie die Anhöhe erreichten, verschlug ihr der Anblick des Hauses den Atem. Es war riesig, verschachtelt, mehrere Stockwerke hoch und mit runden Türmchen und grandiosen Schornsteinen versehen. Das ursprüngliche Haus war bei dem Brand vollständig zerstört worden und hier, auf der Anhöhe und umgeben von dichtem Wald, hatte Dillon das Haus seiner Jugendträume gebaut. Er war in den gotischen Baustil vernarrt gewesen, die Linienführung und die Steinmetzarbeiten, die Gewölbedecken und die verschnörkelten Durchgänge. Sie erinnerte sich noch daran, mit welcher Begeisterung er darüber gesprochen und auf der Anrichte in der Küche Bilder ausgebreitet hatte, damit sie und ihre Mutter sie bewundern konnten. Jessica hatte ihn gnadenlos damit aufgezogen, dass er ein verhinderter Architekt sei, und er hatte immer gelacht und
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