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Momo

Momo

Titel: Momo
Autoren: Michael Ende
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wanderten die beiden Arm in Arm durch die Stadt, heimwärts zum alten Amphitheater. Und jeder hatte dem anderen unendlich viel zu erzählen.
Und in der großen Stadt sah man, was man seit langem nicht mehr gesehen hatte: Kinder spielten mitten auf der Straße, und die Autofahrer, die warten mußten, guckten lächelnd zu, und manche stiegen aus und spielten einfach mit. Überall standen Leute, plauderten freundlich miteinander und erkundigten sich ausführlich nach dem gegenseitigen Wohlergehen. Wer zur Arbeit ging, hatte Zeit, die Blumen in einem Fenster zu bewundern oder einen Vogel zu füttern. Und die Ärzte hatten jetzt Zeit, sich jedem ihrer Patienten ausführlich zu widmen. Die Arbeiter konnten ruhig und mit Liebe zur Sache arbeiten, denn es kam nicht mehr darauf an, möglichst viel in möglichst kurzer Zeit fertigzubringen. Jeder konnte sich zu allem so viel Zeit nehmen, wie er brauchte und haben wollte, denn von nun an war ja wieder genug davon da.
Aber viele Leute haben nie erfahren, wem das alles zu verdanken war, und was in Wirklichkeit während jenes Augenblicks, der ihnen wie ein Wimpernschlag vorkam, geschehen ist. Die meisten Leute hätten es wohl auch nicht geglaubt. Geglaubt und gewußt haben es nur Momos Freunde.
Denn als die kleine Momo und der alte Beppo an diesem Tag ins alte Amphitheater zurückkamen, waren sie alle schon da und warteten: Gigi Fremdenführer, Paolo, Massimo, Franco, das Mädchen Maria mit dem kleinen Geschwisterchen Dedé, Claudio und alle anderen Kinder, Nino, der Wirt, mit Liliana, seiner dicken Frau, und seinem Baby, Nicola, der Maurer, und alle Leute aus der Umgebung, die früher immer gekommen waren, und denen Momo zugehört hatte. Dann wurde ein Fest gefeiert, so vergnügt, wie nur Momos Freunde es zu feiern verstehen, und es dauerte, bis die alten Sterne am Himmel standen. Und nachdem der Jubel und das Umarmen und Händeschütteln und Lachen und Durcheinanderschreien sich gelegt hatte, setzten alle sich rundherum auf die grasbewachsenen steinernen Stufen. Es wurde ganz still.
Momo stellte sich in die Mitte des freien runden Platzes. Sie dachte an die Stimmen der Sterne und an die Stunden-Blumen. Und dann begann sie mit klarer Stimme zu singen.
Im Nirgend-Haus aber saß Meister Hora, den die zurückgekehrte Zeit aus seinem ersten und einzigen Schlaf erweckt hatte, auf seinem Stuhl an dem kleinen zierlichen Tischchen und schaute Momo und ihren Freunden lächelnd durch seine Allsicht-Brille zu. Er war noch sehr blaß und sah aus, als sei er eben von einer schweren Krankheit genesen. Aber seine Augen strahlten.
Da fühlte er, wie etwas ihn am Fuß berührte. Er nahm seine Brille ab und beugte sich hinunter. Vor ihm saß die Schildkröte. „Kassiopeia“, sagte er zärtlich und kraulte sie am Hals, „das habt ihr beide sehr gut gemacht. Du mußt mir alles erzählen, denn diesmal konnte ich euch ja nicht zusehen.“
„SPÄTER!“ stand auf dem Rückenpanzer. Dann nieste Kassiopeia. „Du hast dich doch nicht etwa erkältet?“ fragte Meister Hora besorgt. „UND WIE!“ war Kassiopeias Antwort.
„Das wird durch die Kälte der grauen Herren gekommen sein“, meinte Meister Hora. „Ich kann mir denken, daß du sehr erschöpft bist und dich erst einmal gründlich ausruhen möchtest. Also ziehe dich ruhig zurück.“
„DANKE!“ stand auf dem Panzer.
Dann hinkte Kassiopeia davon und suchte sich einen stillen und dunklen Winkel. Sie zog ihren Kopf und ihre vier Glieder ein, und auf ihrem Rücken, für niemand mehr sichtbar als nur für den, der diese Geschichte gelesen hat, erschienen langsam die Buchstaben:
    ENDE
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