Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Moloch

Titel: Moloch
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
Vom Netzwerk:
finden… mehr oder weniger.
    Angefangen bei einer Zivilisation, eingebunden zwischen Gleiswärts und Flusswärts, so wortgewandt von Paul di Filippo in Ein Jahr in der linearen Stadt beschrieben; über die Happy Farm, Geoff Rymans gar nicht mehr so fernem Altenheim, in dem die einstigen Verfechter gesellschaftlicher Ideale und Prinzipien erkennen, dass sie in letzter Instanz das S.A.S.-Sicherheitssystem benutzen müssen, um sich gegen Anonymität und Unterdrückung zu wehren –, weiter dann über ein beunruhigend unheimliches und bitteres postapokalyptisches Bild von London (China Miévilles Spiegelhaut) bis hin zu einer barocken, aber nichtsdestotrotz glaubwürdigen Version heutiger Ereignisse in unserer Welt, nicht nur durch die Augen eines der beliebtesten und beständigsten Charaktere der Literatur betrachtet, sondern auch noch angesiedelt im guten alten New York City (Michael Moorcocks Firing The Cathedral).
    Schnallen Sie sich an, lehnen Sie sich zurück – und kümmern Sie sich nicht darum, was auf den Straßenschildern steht. Wir begeben uns an Orte, die Sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch nie zuvor aufgesucht haben. Die Reiseführer dorthin haben die vier Autoren verfasst, nach Stadtplänen, die es nirgendwo zu kaufen gibt. Gute Reise.
     
    Peter Crowther
    Januar 2003

Paul di Filippo

    Ein Jahr in der
linearen Stadt
     
    Ins Deutsche übertragen von
    Ralph Sander

 
     
    [Es] war das Ergebnis ihrer Vision eines… Amerikas als eine gewaltige Tanzfläche, die sich von Küste zu Küste erstreckte, überdacht von einer Sternenlosen Nacht, voller heißblütiger Bands, die Tausende von einsamen Paaren mit einer immer schneller beschleunigenden, samstagabendlichen Heftigkeit vorwärts trieben.
     
    John Clellon Holmes, Go, 1952

EINS
    Furcht vor den Bullen
     
    Es war Februar, und sein Vater konnte von nichts anderem reden als von seinem bevorstehenden Tod. Er schwor Stein und Bein, dass er Schwärme von Bullen sah, die sich nur seinetwegen zusammenscharten – kleine Flecken mit zerfransten Flügeln, die in den verzerrten, aufblitzenden Rauchwolken am nördlichen Rand der Welt wie Ascheflocken in der Luft trieben. Der alte Mann – eine kalte Seele in einem frostigen Gleiswärts-Apartment mit Gleisblick – beklagte sich so ausgiebig darüber, wie unregelmäßig und widerwillig Diego Patchen ihn besuchen kam, als würde er all seine anhaltenden Ängste und Vorwürfe bis zum Eintreffen seines einzigen Kindes aufsparen. Sehr zum Erstaunen des Sohnes, aber dem Charakter des alten Mannes durchaus angemessen, glaubte Diego in den ängstlichen Beschimpfungen seines Vaters einen Anflug von wildem Stolz wahrzunehmen, so als verdiene die Anzahl an Bullen, die notwendig sein würden, um den alten Sünder in sein postumes Schicksal zu zerren, irgendeine Art von perversem Applaus.
    Die Jahreszeitensonne war in diesem Monat gänzlich vom Himmel verschwunden, und Schneematsch türmte sich in den Rinnsteinen des Broadway, als hätten alle Eiswagen aus dem vergangenen August ihre Ladung ausgekippt, sowohl Gleiswärts als auch Flusswärts.
    Ließ die ferne und im allgemeinen praktisch nicht wahrzunehmende Hitze von Jenseits der Gleise möglicherweise am gleiswärtigen Straßenrand den Schneematsch ein wenig schmelzen, während die kühlenden Nebel des fernen Ufers die parallel verlaufende, zugefrorene Abwasserrinne noch stärker vereisen ließen? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Zugegeben, im Sommer behaupteten die Bewohner der Gleiswärts-Gebäude, mehr zu schwitzen als ihre Nachbarn auf der anderen Seite des Broadway, während sie im Winter angeblich weniger von der Heizung abhängig waren. Und genauso fröstelte es die Flusswärts Lebenden im Winter etwas mehr, wohingegen sie mit der bei ihnen herrschenden Kühle prahlten, wenn unter dem Einfluss der aufsteigenden Jahreszeitensonne die Hundstage dominierten. Doch Diego gab der rationalen Denkweise eines Ingeniators den Vorzug und hielt keinen der beiden Effekte der entgegengesetzten Regionen für real. Er sah darin nichts weiter als eine psychosomatische Reaktion auf die jeweilige Nähe zu den Gleisen beziehungsweise zum Fluss.
    Das Haus zu verlassen, um den alten Mann zu besuchen, war schon bei gutem Wetter eine unangenehme Aufgabe, doch in dieser Jahreszeit war es besonders lästig.
    Diego lebte in der Gemeinde Gritsavage, Bevölkerungszahl um die Hunderttausend, verteilt auf einhundert Blocks. Momentaner Bürgermeister: der überhebliche
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher