Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mörderspiel im Burghotel

Mörderspiel im Burghotel

Titel: Mörderspiel im Burghotel
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
keine ansteckende
Krankheit. Du kannst die Textilien besten Gewissens verschenken.“
    Gaby faltete eine von Klößchens
langen Unterhosen auseinander und hielt sie hoch.
    „So was trägst du also unter
den Jeans.“
    „Nur bei grimmiger Kälte.“
    „Es sind sozusagen“, erklärte
Tim, „die männlichen Gegenstücke von euren weiblichen Strumpfhosen. Aber schau
dir doch lieber meine alte Windjacke an. Ist noch echt stark. Und sie könnte
Höhlensepp passen. Udo würde darin verschwinden. Für den ist sie XXL, wo er
doch höchstens M hat, wenn nicht gar S — das Maß für Fliegengewichte.“
    Karl hatte zwei neue Sweatshirts
mitgebracht: Geschenk einer Tante, die den Neffen lange nicht gesehen hatte.
Als Gedächtnisgröße war er ihr wohl auch körperlich fülliger in Erinnerung
geblieben — aber die weit geschnittenen Schwitzoberteile hingen an Karls dürrer
Gestalt wie an einer Vogelscheuche. Er schenkte sie her. Die Zettel mit der
Waschanleitung waren noch dran.
    „Nur im Schongang“, las Gaby.
„Nicht schleudern. Das gilt für die Waschmaschine. Ich schätze mal, diese
Anweisungen interessieren weder Udo noch Höhlensepp. Im Gegenteil! Es wäre
geradezu zynisch, wäre böser Spott, wenn sie so was vorfinden. Zwei Armselige,
für die schon der Regen eine Katastrophe ist.“
    „Harte Schicksale“, nickte Tim,
„spielen sich da ab. Scheint ein Zeichen der Zeit zu sein. Denn es sind ja
keineswegs nur Trinker, Penner und Arbeitsscheue, denen die Not bis zum Hals
steht. Schlechte Konjunktur und Arbeitslosigkeit werfen so manchen aus der
Bahn. Kein Geld mehr für Miete, kein Geld für irgendwas. Und unser sogenannter
Sozialstaat schwächelt vor sich hin mit den falschen Entscheidungen dieser
Dumpfbacken, die sich Politiker nennen. Na ja, eben die Unbegabten, die
Pöstchenjäger und Selbstbediener. Einstimmige Beschlüsse im Bundestag finden
doch nur statt, wenn’s um die Erhöhung der eigenen Bezüge geht. Peinlich, wie
unverfroren das immer wieder passiert. Aber sie predigen Bescheidenheit —
predigen sozusagen Wasser. Und haben alle ‘nen Leberschaden.“
    „Woher wohl?“, fragte Karl.
    „Vom Wein. Den hauen sie selber
weg — und predigen Wasser, wie ich schon sagte.“
    „Höhlensepp war technischer
Zeichner“, sagte Gaby. „Wurde vor zwölf Jahren entlassen. Und hat nie wieder
eine Anstellung gefunden. Wollte sich umschulen lassen auf Bergmann. Ist aber
nichts geworden. Dann Gelegenheitsarbeiten und Scheidung. Seitdem ist er auf
der Straße. Der würde gern in geordnete Verhältnisse zurück.“
    „Woher weißt du das?“, fragte
Karl. „Mit uns“, er meinte Tim, Klößchen und sich, „haben die beiden nicht
geredet.“
    „Aber mit mir“, lächelte Gaby.
„Liegt wohl an meinem weiblichen Einfühlungsvermögen. Und weil ich versprochen
habe, dass ich ihnen neue Kleidung besorge.“
    „Was war mit Udo?“, fragte Tim.
    „Der ist ziemlich verschlossen.
Ich glaube, er hat nichts Richtiges gelernt. Und die ohne Qualifikation und
guten Abschluss werden natürlich zuerst entlassen.“
    „Für Einfach-Arbeit“, nickte
Karl, „wird der Mensch mit seinen zwei Händen kaum noch gebraucht. Das
übernimmt die Maschine, die computergesteuerte Maschine. Nur für manche
Dreckarbeit braucht man noch die mit den zwei Händen. Den Computer, der die
Müllsäcke einsammelt und die Tonnen leert, den haben wir noch nicht.“
    „Ist nur eine Frage der Zeit“,
meinte Tim.
    Der Kleidersack war jetzt
randvoll. Er wurde verschnürt. Tim schleppte ihn. Mit diesem Gepäck hinten auf
dem Drahtesel wurde das Biken zur kippligen Angelegenheit. Aber der
TKKG-Häuptling war dem gewachsen — und eine polizeiliche Mahnung wegen
,überladenem Fahrzeug’ wohl nicht zu befürchten.
    Auf der Altstadt-Straße
dusterte es. Tim stellte fest: Die Schatten waren zwei bis dreimal so lang wie
die Gegenstände, die sie warfen.
    In Frau Glockners
Feinkost-Geschäft, das bekanntlich im Parterre liegt, herrschte gerade
Kunden-Flaute. Die vier gingen kurz hinein, damit die Jungs Gabys Mutter — die
von allen hoch verehrt wird — begrüßen konnten.
    Klößchen gelang es mal wieder,
gnadenlos hungrig auszusehen — und er staubte somit einen nussgefüllten
Schoko-Riegel ab, was ihm strafende Blicke seiner Freunde eintrug. „Ich bin
rechtzeitig zurück, Mami“, verhieß Gaby — und würde das ‚rechtzeitig’ als dehnbare
Zeitangabe auslegen.
    Aber Margot Glockner war
großzügig. Sie wusste ihre Tochter in bester Obhut. Tim
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher