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Modesty Blaise 05: Die Goldfalle

Modesty Blaise 05: Die Goldfalle

Titel: Modesty Blaise 05: Die Goldfalle
Autoren: Peter O'Donnell
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bei einem sterbenden Jungen gesessen, seine Hand gehalten und unaufhörlich murmelnd auf ihn eingeredet hatte. Der Junge war am Leben geblieben und erholte sich bereits wieder. Das alles war keineswegs irgendwie mystisch, und Pennyfeather selbst glaubte bestimmt nicht, daß er irgendwelche magischen Heilkräfte besaß. Er tat oder sagte einfach alles, was ihm gerade einfiel.
    «Lassen Sie lieber noch ein paar Tropfen Äther auf ihre Maske fallen», sagte er. Sie nahm die Flasche und führte seine Anweisung aus. Er stand wieder da und schaute in die offene Bauchhöhle; dann nickte er. «Es hat keinen Zweck, weiter herumzurätseln», sagte er entschieden und zeigte auf eine bestimmte Stelle. «Das ist das Ding, das an allem schuld ist, wenn Sie mich fragen. Es sieht bloß nicht so aus, wie es sollte. Das ist es! Wenn es nicht so geschwollen wäre, dann wäre es bestimmt trompetenförmig, Modesty! Bitte das Skalpell.
    Wir schlitzen es ein bißchen auf, holen das Zeug raus und nähen das Röhrchen wieder zu.» Er schaute auf das schwarze, bewußtlose Gesicht, während Modesty ihm das Skalpell in die Hand gab. «Paß auf, Yina, mein alter Schwabbelbusen. Gleich bist du wieder in Ordnung.»
    Modesty war jetzt sicher, daß er als Chirurg nur ganz wenig Erfahrung hatte und instinktiv arbeitete. Es gab Augenblicke, da wurden die Bewegungen seiner Hände flink und geschickt, als würden sie weniger von seinem Verstand als von seinem Unterbewußtsein geführt, das erkannte, daß dieser Teil der Operation schwierig und wichtig war. Seine Nähkünste hätten nicht einmal für einen Schusterlehrling gereicht; wenn auch die Narben, die er hinterließ, nicht sehr hübsch waren, so schienen doch die Einschnitte, die er gemacht hatte, außerordentlich schnell zu verheilen.
    Während er arbeitete, sprach er unaufhörlich, manchmal mit sich selbst, manchmal mit Modesty, manchmal mit der bewußtlosen Yina.
    «Aufgepaßt, Pennyfeather. Ahhh … so ist’s fein. Braver Junge. Morgen darfst du die Bleistifte verteilen. He, was für ein komisches Zeug haben wir da? Macht nichts. Sieht ja ganz normal aus. Alles in Ordnung, Yina, mein kleiner Schokoladenpudding. Ganz ruhig, Herzchen. So ist’s recht. Kann ich einen Tupfer haben, Modesty? Erst mal aufwischen, damit wir sehen, was wir machen. So ist’s besser. Also dann …» Lange Pause.
    «Da. Ich glaube, wir haben es geschafft. Das nächste Mal paßt du auf, daß dein Ei in deinen verdammten Uterus rutscht, bevor du es dir von M’bolo befruchten läßt, Herzchen. Jetzt wird’s Zeit für meine unvergleichliche Stickerei. Nadel und Darm bitte, Mädchen. Und schön weiterträufeln. Die arme alte Yina kriegt sonst noch junge Kätzchen, wenn sie uns mittendrin aufwacht, was, meine kleine Lakritzenstange?»
    Schweigend nähte er den aufgeschnittenen Eileiter zusammen. Modesty glaubte zu sehen, wie er unter seinem Mundtuch die Zunge vorschob.
    «Fertig. So gut wie neu.» Er beugte sich tiefer hinab und sprach in die Bauchhöhle. «Also, du kleines, trompetenförmiges Biest, jetzt liegt’s an dir, also schwill gefälligst ab und fang an zu heilen, aber ein bißchen plötzlich. Eins-zwei, eins-zwei.» Er richtete sich auf und begann einige Tupfer zu entfernen. «Gott, die Stiche sind ein bißchen grob. Na wenn schon, auf alle Fälle läuft sie jetzt wieder auf beiden Zylindern. Ich will nur noch schauen, ob wir auch den ganzen Kram aus ihr rausgeholt haben, bevor wir ihr den Bauch wieder zunähen. Als ich Medizinstudent war, haben sie daraus immer eine Staatsaktion gemacht.»
    Modesty reichte ihm die Pinzette, und er spähte in die Bauchhöhle. «Das Schlimme ist, wenn man praktischer Arzt werden will, hat man nur drei Monate Chirurgie, und die meiste Zeit davon verbringt man mit Zuschauen. Dann kriegt man einen Job in einem Nest wie diesem, wo man angeblich bloß die Leute impft, sie abhält, verseuchtes Wasser zu trinken, und wenn’s hoch kommt ein paar Babies auf die Welt bringt, aber ganz so ist es dann doch nicht. Plötzlich hat man das verdammte Messer in der Hand und kann nur noch das Beste hoffen. Aber vielleicht ist alles nur Erfahrungssache. Und ich war verdammt froh, daß die Missionsgesellschaft mir den Job gegeben hat. Bei der Prüfung habe ich ganz schön geschwitzt, bis ich dann merkte, daß ich der einzige Kandidat war.»
    Er begann zu lachen, ließ einen Tupfer fallen, den er gerade herausgeholt hatte, sagte «Entschuldigung, Herzchen» zu Yina und fischte ihn wieder heraus.
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