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Modesty Blaise 05: Die Goldfalle

Modesty Blaise 05: Die Goldfalle

Titel: Modesty Blaise 05: Die Goldfalle
Autoren: Peter O'Donnell
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war dreißig, sah aber jünger aus, ein schlaksiger Mann, nichts als Hände und Füße, unglaublich tolpatschig. Sie merkte, daß er im akademischen Sinne wahrscheinlich ein miserabler Arzt war. Aber er heilte seine Patienten. Das war das richtige Wort, er kurierte nicht, er heilte. Sie war zu dem Schluß gekommen, daß es mehr eine psychische Leistung war als eine medizinische und daß er eine außergewöhnliche Gabe besaß, die vielleicht angeboren war.
    Anfangs hatte sie ihn für einen Narren gehalten, und vielleicht war er im landläufigen Sinne auch wirklich einer, wenn auch ein Narr von der besten Sorte, ganz ohne Arglist, optimistisch, erfüllt von grenzenloser Zuneigung für die Menschen. Er war keineswegs ein Heiliger. Er überschüttete seine Patienten nicht mit Liebe.
    Er war einfach fest entschlossen, sie gesund zu machen und hatte großes Vertrauen in seine Fähigkeit, dies zu tun. Alles, was er in Angriff nahm, erledigte er mit jugendhafter Heiterkeit. Wenn er ein Mann war, der sich ganz einer Aufgabe verschrieben hat, so war ihm das jedenfalls nicht bewußt. Er packte einfach jedes Problem an, das sich ihm stellte, und versuchte es mit unbeholfenem Optimismus zu lösen.
    Er operierte gerade wieder, nicht eines der Opfer des Busunglücks, sondern eine Frau aus dem Dorf, die eine Bauchhöhlenschwangerschaft hatte. Seine Operationskleidung bestand aus einem verschossenen blauen Hemd und Khaki-Shorts, beide sauber gewaschen und gebügelt. Sein struppiges blondes Haar stand über dem Schweißband wie ein Distelkopf in die Höhe und gab ihm das Aussehen einer Figur aus einer Posse.
    Modesty stand neben dem Operationstisch, das Haar mit einem seidenen Kopftuch bedeckt. In der drückenden Hitze hätte sie sich am liebsten bis auf Slip und Büstenhalter ausgezogen, aber um die Mbarrahas nicht zu schockieren, trug sie einen Overall, den Angel aus einem baumwollenen Hauskleid improvisiert hatte.
    Die Frau war unter Äther und schien die Operation bis jetzt gut zu überstehen. Giles Pennyfeather hatte aus Versehen das Tablett mit den Instrumenten auf den Boden geworfen und wartete geduldig, während Modesty sie frisch sterilisierte. Er summte unter seinem Mundtuch vor sich hin und spähte zweifelnd in die durch Wundhaken offengehaltene Bauchhöhle, aus der eine Reihe Klammern hervorschaute.
    «Es ist das erste Mal, daß ich so was mache», sagte er. «Ich meine den Eileiter. Da drinnen sieht mir alles ziemlich wirr aus. Schauen wir uns doch nochmals die Abbildung an, Mädchen.»
    Modesty dachte vergebens darüber nach, wem sonst auf der ganzen Welt sie erlaubt hätte, sie einfach «Mädchen» zu nennen, und dann fragte sie sich, warum es ihr bei Giles Pennyfeather nichts ausmachte. Mit einem Skalpell blätterte sie die mit Flecken und Eselsohren verunzierten Seiten des dicken medizinischen Lehrbuchs um. «Ich glaube, ich hab’s.»
    Giles Pennyfeather beugte sich vor, um die Abbildung zu betrachten, und sie schob rasch das Instrumententablett aus der Reichweite seines Ellbogens, während er, die behandschuhten Hände in die Höhe haltend, in das Buch schaute.
    «Hier sieht alles so einfach aus», meinte er schließlich, «aber wenn ich der armen alten Yina in den Bauch schaue, sehe ich bloß einen fürchterlichen Mischmasch.» Er hielt inne und las die Unterschrift. «Ah, trompetenförmig. Jetzt erinnere ich mich wieder. Wie geht’s Bomutus Bein, Modesty?»
    «Scheint ganz gut zu heilen. Meinen Sie, daß bei ihr mit dem Blutdruck und der Atmung alles in Ordnung ist, Giles? Ich kann das nicht sehen.»
    «Ich auch nicht. Bei der schwarzen Haut kann man die Farbe so schlecht feststellen, nicht? Die Atmung scheint mir aber ein bißchen schwach.» Er beugte sich unvermittelt über die bewußtlose Frau und sagte streng: «Also hör mir mal zu, Yina, altes Mädchen, mach mir jetzt keine Zicken. Sei ein braves Mädchen und atme schön leicht und regelmäßig, sonst verhau ich dir deinen alten, wabbligen Hintern, sobald du aufwachst. Kapiert?»
    Er blieb über sie gebeugt und schaute sie ein paar Sekunden mit gespielter Strenge an; dann richtete er sich wieder auf. Modesty sagte sich, sie bilde es sich wohl nur ein, daß Yinas Atmung tatsächlich gleichmäßiger geworden sei. Aber sie war schon mehrmals dabei gewesen, wenn Pennyfeather mit seinen Patienten sprach – ob diese nun wach oder bewußtlos waren.
    Daß die meisten kaum ein Wort Englisch verstanden, störte ihn nicht. Sie wußte, daß er einmal die ganze Nacht
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