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Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition)

Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition)

Titel: Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition)
Autoren: Stephan Schulmeister
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Hauptgründe für die beiden Rezessionen 1974/75 und 1980/82 (Abb. 1).
Die Unsicherheit hinsichtlich der Profitabilität von Realinvestitionen stieg, gleichzeitig nahmen die Spekulationschancen auf den Devisen- und Rohstoffterminmärkten zu.
    Abb. 1: Schwankungen von Dollarkurs und Erdölpreis
gegenüber DM, Französischem Franc, Pfund, Yen
Als Folge der Ölpreisschocks und damit indirekt der Aufgabe fester Wechselkurse beschleunigte sich die Inflation, gleichzeitig stieg die Arbeitslosigkeit im Zuge der Rezession 1974/75 (Abb. 12, S. 73).
Diese Konstellation nutzten neoliberale Ökonomen wie Milton Friedman für den Generalangriff auf den Keynesianismus in der simplifizierten Form der neo-klassischen Synthese. Die Phillips-Kurve sei falsifiziert, und damit ein Kernstück der keynesianischen Theorie. 1
Ende der 1970er Jahre begannen die Notenbanken eine extreme Hochzinspolitik zu praktizieren. Denn die Dollarentwertung 1977/79 und der nachfolgende Ölpreisschock hatten die Inflation neuerlich beschleunigt (Abb. 12, S. 73).
Seit 1980 liegt der Realzins in Europa (daher) nahezu permanent über der Wachstumsrate, davor war er immer niedriger gewesen (Abb. 12 – in den USA liegt hingegen das Zinsniveau seit dem geldpolitischen Kurswechsel Ende der 1980er Jahre im langfristigen Durchschnitt wieder deutlich unter der Wachstumsrate. 2 )
Das positive Zins-Wachstums-Differenzial zwang die Unternehmen wegen der dynamischen Budgetbeschränkung, ihre Fremdfinanzierung und damit auch das Wachstum ihrer Realinvestitionen zu senken (Abb. 9, S. 62–63).
Das unternehmerische Gewinnstreben verlagerte sich so von der Realkapitalbildung zu Finanzveranlagung und -spekulation (Abb. 9), zusätzlich gefördert durch den seit den 1980er Jahren anhaltenden Boom von Finanzinnovationen, den Derivaten aller Art (Abb. 8, S. 56–57).
Der 1982 einsetzende Aktienboom stimulierte die Spekulationsfreude, zumal die Umstellung der Pensionssysteme in den USA dem Boom einen langen Atem gab (er dauerte fast 20 Jahre).
Die wichtigsten Preise wie Wechselkurse, Rohstoffpreise und Aktienkurse wurden destabilisiert, sie schwanken in einer Abfolge von Bull Markets und Bear Markets um ihre fundamentalen Gleichgewichtswerte ohne gegen diese Werte zu konvergieren (Abb. 1, S. 25, Abb. 3, S. 35, Abb. 6, S. 48, Abb. 7, S. 52).
Die zunehmende Unsicherheit realwirtschaftlicher Transaktionen und die steigenden Gewinnchancen kurzfristig-spekulativer Finanztransaktionen veranlassten die (Industrie-)Unternehmen, ihre Aktivitäten verstärkt von Real- zu Finanzinvestitionen zu verlagern (Abb. 9, S. 62–63).
Dadurch musste das Wirtschaftswachstum nachhaltig sinken, Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung nahmen zu (Abb. 12, S. 73). Als Reaktion auf diese Entwicklung wechselte die Fiskalpolitik in der EU auf einen restriktiven Kurs (Sparpolitik im Sinne der Maastricht-Kriterien).
Die Sparpolitik und die damit verbundene Schwächung des – in Sonntagsreden viel gepriesenen – Europäischen Sozialmodells dämpften in den 1990er Jahren das europäische Wachstum weiter (Abb. 12, S. 73). Gleichzeitig wurde die kapitalgedeckte Altersvorsorge als Ergänzung zum sozialstaatlichen Pensionssystem gefördert.
Also sollten auch die NormalbürgerInnen ihr Geld arbeiten lassen. Überdies zeigten die Banken ihren Kunden, wie das Geld auch für die (relativ) kleinen Leute durch allerlei Finanzinvestitionen arbeiten kann, statt auf Sparbüchern zu ruhen.
In den 1990er Jahren ist daher die Renditeansprüchlichkeit enorm gestiegen: Die Realwirtschaft wuchs in Europa kaum noch, aber das Finanzkapital sollte zumindest zehn Prozent abwerfen. Tatsächlich waren auf den Aktienmärkten noch höhere Renditen zu holen.
Durch den Aktienboom vergrößerte sich die Diskrepanz zwischen Börsenwert und tatsächlichem Wert der Unternehmen stetig. Das (Pyramiden-)Spiel »Der Unternehmen neue Kleider« musste enden, und zwar wie immer abrupt (Aktiencrash 2000/2003 – Abb. 3, S. 35).
Zwischen 2003 und 2007 gelang noch ein Aktienboom (Abb. 3, S. 35), in Europa durch die Anreize zur kapitalgedeckten Altersvorsorge gefördert. In den USA begann der Immobilienbubble eine viel größere Rolle zu spielen, Geld arbeitete nun in Form einer Höherbewertung von Häusern.
Die »Geldvermehrer« nützten dies zur Schaffung neuen Finanzkapitals in Form von Krediten, oft an nahezu Mittellose: Als die Immobilienpreise zu fallen begannen, wurden die zu »Wert«-papieren gebündelten Hypothekarkredite wertlos (Sommer
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